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(149 Min., 10/2001)
Die Gnade des frühen Todes bewahrte Richard Wagners Sohn Siegfried (1869-1930) davor, im so genannten "Dritten Reich" sich orientieren zu müssen zwischen den Machenschaften seiner Hitler-begeisterten Ehefrau Winifred und seinen eigenen, offenbar ein wenig besonneneren politischen Ansichten; Siegfrieds Tochter Friedelind jedenfalls, eine viel geschmähte Außenseiterin der Wagner-Dynastie, nahm ihren Vater gegen der Verdacht des Nazi-Sympathisantentums vehement in Schutz. Auch die auf ein eigenes Libretto komponierte Oper "Die Heilige Linde" spricht für ein differenzierteres Verhältnis Siegfried Wagners zumindest zum Germanentum: Zwar geht der Germanenherrscher Arbogast an seiner naiven Rom-Freundlichkeit zu Grunde, zwar ersetzt seine ganz im Volkstum verwurzelte Gattin am Ende die eingangs gefällte heilige Linde durch ein junges Bäumchen; andererseits jedoch scheint dieses bejubelte restaurative Ereignis nur ein Etappensieg zu sein, während mit der Person des auf ein gotisches Vorbild zurückgehenden Königssohnes Fritigern schon die christliche Lehre am Horizont auftaucht. Trotz ihres germanischen Inhalts spielte diese Oper im Musikleben des "Dritten Reiches" folgerichtig keine Rolle; konzertant uraufgeführt wurde das 1927 fertig gestellte Werk gar erst 2001 in der Kölner Philharmonie, ein Unterfangen, das eigenartigerweise aus Bayreuth juristisch torpediert worden sein soll.
Dennoch wurde aus der erfolgreichen Produktion schließlich auch eine gelungene Aufnahme, die nun vorliegt. Siegfried Wagner erweist sich als stringenter und effektvoller Erzähler, der das spannende Geschehen auch ohne die magische Suggestivität, die die Musik seines Vaters für den sensiblen Hörer oft so ambivalent sein lässt, überzeugend in Töne zu setzen vermag. Es ist eher die Handschrift seines Kompositionslehrers Engelbert Humperdincks (auch er freilich ein Wagnerianer), die in Siegfried Wagners Partitur durchscheint: Niemals gehen die Sänger in Orchesterwogen unter, sondern werden getragen, obwohl das Orchester auch sein bedeutsames motivisches Eigenleben führt. Es sind tatsächlich unmittelbar die Aussagen der handelnden Personen, die auf den Hörer wirken, und nicht ein soghafter musikalischer Subtext, auf dem sie daher schwimmen.
Werner Andreas Albrecht gestaltet die Uraufführung mit dem brillanten Sinfonieorchester des WDR und einem engagierten Sängerteam, aus dem Roman Trekel in der kleinen Rolle des griechischen Fischers Antenor hervorsticht. Souverän und mit hoher stimmlicher Intensität bewältigt John Wegener die Partie des Arbogast; sein falscher römischer Freund Philo hingegen hätte etwas mehr vokale Substanz vertragen, als Volker Horn im zu verleihen vermag.
Michael Wersin, 10.01.2004
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