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N° 1354
20.04. - 01.05.2024

nächste Aktualisierung
am 27.04.2024



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Stefan Wolpe

Zeus und Elida, Schöne Geschichten

Michael Kraus, Franziska Hirzel, Harry van der Kamp u.a., Ebony Band, Werner Herbers

Decca 460 001-2
(58 Min., 6/1997 - 7/1997) 1 CD

Berlin in den gar nicht so goldenen Zwanzigern – wer eine Ahnung davon bekommen möchte, welcher Ton dort und damals angeschlagen wurde, ist mit Stefan Wolpes Musikalischer Groteske "Zeus und Elida” von 1928 bestens bedient. Schon die Handlung jongliert trefflich zwischen Kabarett und Dada hin und her: Göttervater Zeus landet per Zufall im hektischen Berlin, kapiert nichts, hält Syphilis für die Sylphiden, das Reklamemädchen der Seifenmarke Elida (gab’s wirklich!) für seine geliebte Europa und wird, bevor er mit ihr in ein Hotel verschwinden kann, vom paragraphenspuckenden Staatsanwalt aus dem Verkehr gezogen. Sehr bissig und pointiert das Ganze, mit Zeilen, die auch heute noch Sinn machen, etwa: "Weitergehen, weitergehen, keine Stockung im Weltstadtverkehr”, oder die Worte des Staatsanwalts: "Und überhaupt, wir haben es gründlich satt. Ich verbiete den ganzen Potsdamer Platz!!!”
Ebenfalls textlich sehr lohnend die Kurz- (besser: Mini-)Oper "Schöne Geschichten”, eine Sammlung von halb surrealistischen, halb sketchhaften Geschichten und gespielten Witzen. Auch hier eine Kostprobe aus dem Libretto, und zwar die erste Nummer "Wissenschaft”: "Drei mal sieben ist einundzwanzig. Höchstens zweiundzwanzig –”.
Der hohe Unterhaltungswert der Libretti und die nie unterbrochene Dominanz des Textes hat jedoch zur Folge, dass Wolpes Musik kaum je ein Eigenleben entwickeln kann, im Gegenteil, gelegentlich gar unmotiviert wirkt. Insbesondere "Zeus und Elida” präsentiert sich über weite Strecken als eine allzu bunte Mischung aus allem was damals modern war: stilisierter Jazz, Atonalität, ironisierte klassische Formen, dadaistische Verfremdung. Die "Schönen Geschichten” klingen wohl wesentlich einheitlicher anspruchsvoller, und für die Entstehungszeit äußerst avantgardistisch, doch laufen auch hier Musik und Text oft nebenher. Wolpes eigentlicher, hochindividueller Stil sollte erst später, nach seiner Emigration, seine Ausprägung finden. Trotzdem: Als Zeitdokument und literarische Ergötzung ist diese Einspielung sehr zu empfehlen – die engagierten Interpretationen übrigens auch.

Thomas Schulz, 01.09.2007


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