Ohne Streicher geht’s im Jazz momentan nicht mehr. Das haben im vergangenen Jahr mit wechselndem Erfolg unter anderem Wayne Shorter und Charlie Haden vorgemacht. Bei letzterem stand gar ein ganzes Orchester im Studio - sowie der unvermeidliche Michael Brecker. Der meistkopierte Tenorsaxofonist der jüngeren Vergangenheit hat jedoch aus seiner Mitarbeit an Hadens grenzwertig geigerverklebtem “American Dreams”-Album einiges gelernt. Etwa dies: Viele Streicher verderben den Brei. Deshalb hat Brecker für seine neue Aufnahme nur ein überschaubares Quartett unter der Leitung des Violinisten Mark Feldman gebucht. Es ist trotzdem etwas Großes herausgekommen: ein Quindectet mit klavierloser Rhythmus-Section, Gitarre, Oboe, Horn und Jazzgebläse. Das Ergebnis ist überraschend. Die fünfzehnköpfige Besetzung klingt wie aus einem Guss, schlank, schlagfertig und wendig. Dass Breckers enorm verschachtelte Arrangements derart klar rüberkommen, hat natürlich auch mit der Gewichtung bei der Abmischung zu tun. Im Vordergrund steht zum einen John Pattituccis unbeirrbarer Bass, der die Akustik-Funk-Nummern und kryptoafrikanischen Erfindungen Breckers gemeinsam mit den tiefen Stimmen im Ensemble erdet. Zum anderen dominiert der Bandleader hypermarkant selbst das Geschehen - mit seinem schneidenden Ton, seinen wahnwitzigen Soli, seinen kalkulierten Ekstaseschreien im Falsett. Die beste Jazz-Aufnahme mit Streicherbegleitung seit langem.
Josef Engels, 11.10.2003
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