Es ist kaum zu glauben und traurig zugleich, dass "Falling in love is wonderful" des amerikanischen Jazzvokalisten Jimmy Scott wegen banaler Rechtsstreitigkeiten über 40 Jahre hinweg nicht gehandelt wurde. Mit dieser Balladen-Sammlung hätte Scott durchaus im Olymp großer Jazzsängerinnen - und davon gab es in dieser Zeit eine ganze Menge - einen Platz sicher gehabt. Sängerinnen? Richtig, Jimmy Scott leidet am so genannten Kallmann-Syndrom, das einen Stimmbruch bei ihm verhinderte und sein Organ wie das einer Frau klingen lässt. Dieser Umstand tritt jedoch schon nach den ersten Takten von "They say it’s wonderful" völlig in den Hintergrund, denn was von nun an fasziniert, sind Wärme, Tiefe und Gestaltungskraft seines Vortags. Nicht von ungefähr sahen Kolleginnen wie Billie Holiday und Dinah Washington in dem aus Ohio stammenden Scott einen großen künstlerischen Einfluss.
1962 bot sich dem 37-jährigen Sänger die Möglichkeit, mit dem noch jüngeren, jedoch schon im Zenit seiner Popularität stehenden Ray Charles die vorliegende Platte aufzunehmen. Mit dem Freund am Klavier und einem schmeichelnden Streichersound im Rücken bleibt Scott stets diesseits der Grenze zum Kitsch, wenn auch manchmal nur knapp. Lovesongs wie "There is no greater love" oder "How deep is the ocean" sind so tief und innig empfunden, dass auch gewisse Schärfen in der hohen Gesangslage nicht wirklich stören. "Falling In Love Is Wonderful" mit der Floskel von der "längst überfälligen Wiederveröffentlichung" zu kommentieren, wäre untertrieben. Es ist schlicht unverständlich, warum dieses anrührende Zeugnis eines außergewöhnlichen Musikers den Jazzfans so lange vorenthalten wurde.

Tilman Stamer, 01.09.2007

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