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N° 1354
20. - 28.04.2024

nächste Aktualisierung
am 27.04.2024



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Dmitri Schostakowitsch

Sinfonien Nr. 1 und 15

Cincinnati Symphony Orchestra, Jesús López Cobos

Telarc/In-Akustik 80572
(9/2000) 1 CD

Diese Einspielung beweist, dass es nichts Langweiligeres gibt als Perfektion ohne Inspiration. Wie stets bei Telarc ist das Klangbild mustergültig transparent und von kaum zu überbietender Opulenz und Dynamik; das Orchester aus Cincinatti zeigt, dass es sich vor der berühmteren Konkurrenz aus eigenen Landen nicht zu verstecken braucht. Doch Jesús Lópe Cobos, von dem ich durchaus einige überzeugende Aufnahmen kenne, bringt hier das Kunststück fertig, kaum einer der Fassetten dieser beiden so grundverschiedenen Werke auch nur annähernd gerecht zu werden.
Schostakowitschs genialischer Erstling, der noch gelegentlich bei Prokofjew und Rachmaninow seine Inspiration bezieht, hat selten so kreuzbrav und bieder geklungen. Weder das Pendeln zwischen Idylle und Grimasse in den beiden ersten Sätzen noch der jugendliche emotionale Überschwang des Finales werden angemessen realisiert. Nun verträgt dieses Werk die interpretatorische Ideenlosigkeit des Dirigenten ob seines pastosen, fleischigen Orchesterklanges noch relativ unbeschadet. Wo das Feuer fehlt, vermögen zumindest die Farben noch abzulenken.
Richtig schlimm wird es dann jedoch in der rätselhaften Fünfzehnten, Schostakowitschs letzter Sinfonie. Mühsam buchstabiert sich der Dirigent durch eine Partitur, in der das bloße Abspielen des Notentexts fatal ist, da alles zwischen den Zeilen geschrieben steht. Genau davon scheint López Cobos jedoch nichts wissen zu wollen; seine Tempi sind, besonders im Kopfsatz und im Scherzo, zäh und schleppend, ohne dass er in der Lage wäre, sie mit Leben zu füllen.
Nun scheitern an diesem sperrigen Werk die meisten Interpreten; seit Kondraschin (BMG) und Sanderling (Berlin Classics) gibt es keine voll zufriedenstellende Aufnahme mehr. Vor allem gelingt es vielen Dirigenten nicht, den doppelten Boden von Schostakowitschs Humor Gestalt werden zu lassen, sie verharren in eindimensionaler Groteske. López Cobos geht noch einen Schritt weiter: Er kommt gänzlich ohne jeden Funken Humor aus, aber auch ohne jede leise Tragik, die das Finale durchweht. Was aber bleibt dann noch? Nichts. Vielleicht war es ja die Absicht des Dirigenten, genau dies zu demonstrieren.

Thomas Schulz, 01.09.2007


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