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N° 1354
20. - 29.04.2024

nächste Aktualisierung
am 27.04.2024



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Cornell 1964

Charles Mingus Sextet

Blue Note/EMI 0946 3 92210 2 8
(134 Min., 3/1964) 2 CDs

Dass Charles Mingus einer der Giganten der Jazzgeschichte war, zählt zum Allgemeingut. Von ihm stammen großartige Kompositionen wie die Ballettmusik "The Black Saint And The Sinner Lady", die "Fables Of Faubus" oder das Album "Pithecanthropus Erectus". Seine Livequalitäten wurden ob solcher Produktionen oft vergessen – und dies, obwohl sein Sextett von 1964 mit den Saxofonisten Clifford Jordan und Eric Dolphy, dem Trompete Johnny Coles, dem Pianisten Jaki Byard und dem Schlagzeuger Danny Richmond zu den bahnbrechenden Formationen des modernen Jazz zählte. Das Konzert vom 18. März 1964 an der Cornell University in Ithaca, New York, fand nur wenige Wochen vor der Europatournee von 1964 statt, die auf offiziellen CDs und inoffiziellen Bootlegs ausführlich dokumentiert ist. Hier ist Mingus Konzept, ausgearbeitete – und dennoch für Improvisationen freie – Passagen mit Abschnitten, in denen Solisten in herkömmlicher Weise über der Basis einer Rhythmusgruppe improvisieren, zu verbinden. In der ersten Konzerthälfte bleibt Mingus weitgehend in der konventionellen Rolle und begleitet überaus einfalls- und melodienreich. Dabei ist sein Duett "Sophisticated Lady" mit dem zurückhaltend begleitenden Jaki Byard mehr als eine Verneigung vor Duke Ellington. Mingus überträgt die Melodie so raffiniert auf sein Instrument, dass er in flirrenden Momenten sogar eine Übersetzung für die originalen Growlsounds der Bläser findet. Dieses viereinhalbminütige Solo – es zählte auch bei der folgenden Europatournee zum Konzertrepertoire – gehört zu den Highlights der Bassgeschichte. Darüber hinaus hebt der Bandleader in den ersten sieben Minuten von "Meditations" und einer späteren Passage die übliche Arbeitsteilung in einer Band auf, indem er seinen Kontrabass als vollwertiges Melodieinstrument einbrachte, während sich die Bläser auf fast minimalistische Wiederholungsfiguren zurückzogen. Auch die Einleitung zu "So Long Eric" ist ein exzellentes Bassfeature; hier jedoch begibt sich Mingus in den Tutti in die Begleitrolle. Die Ensemblepassagen sind – auch eine Besonderheit Mingus – facettenreich arrangiert, und jeder der Solisten hat Raum für ausführliche Soli. Dabei reitet ihn in "Fables Of Faubus" der Schalk, indem er und Byard Themen wie "Yankee Doodle", "Lift Every Voice And Sing" oder "Old Man River" antippen und damit einen kleinen Kommentar in das bewegte Stück streuen, dessen Titel auf den rassistischen Gouverneur Faubus verweist, der mit aller (Polizei-)Gewalt die Rassentrennung in den Schulen von Arkansas aufrecht erhalten wollte. Nicht nur hier zeigt sich, wie tief Mingus‘ Innovationskraft in der Tradition verwurzelt ist. So mengt Jaki Byard unter anderem in die Solonummer "ATFW You" sowie in seinen Soli in "Take The A Train" und "So Long Eric" Stridepassagen. Eine vergnügliche Fusion aus Alt und Neu bietet schließlich die humorvolle Version von Fats Wallers Klassiker "Jitterbug Waltz".

Werner Stiefele, 01.09.2007


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