Der vielleicht dienstälteste unter den noch aktiven Star-Tenoristen hat inzwischen schon viele jüngere Kollegen von Gordon bis Getz überlebt. Offengestanden hatte ich nicht erwartet, dass der italo-amerikanische Tenorist Flip Phillips mit seinen fünfundachtzig Jahren noch so großartig musiziert. Erst wenn man im Vergleich zu diesem Album Phillips' Frühwerke heranzieht, hört man ihm sein Alter an, denn er macht weisen Gebrauch von seinen gegenwärtigen Fähigkeiten und setzt mehr auf melodische Gestaltung denn auf die Explosivität, für die er berühmt wurde. War Phillips einst ein wild aufspielender Heißsporn, so bevorzugt er nun einen leiseren, sanfteren Sound, ohne neben "jungen" Gast-Tenoristen James Carter und Joe Lovano wie ein Opa zu wirken.
Das Spiel hochbetagter Tenoristen – es gab schon immer wenige von ihnen im Jazz – geht, vor allem bei Balladen, ans Herz. Wenn Phillips Abschiedsstücke wie "For All We Know" intoniert, und darin die Erfahrungen von Jahrzehnten zu Geschichten verwebt, bleibt man schwerlich ungerührt. Phillips erinnert da an seinen geistesverwandten Genossen Ben Webster, mit dem er so oft die Bühne geteilt hat.
Ein Riesenlob verdienen die swingenden Begleiter Howard Alden, Benny Green, Christian McBride und Kenny Washington. Ein schönes Beispiel liefert Benny Greens Klavierbegleitung: wunderbar hellhörig reagiert er auf die anderen Solisten, assistiert dem älteren Phillips mit traditionelleren, dem jüngeren Lovano mit moderneren Begleitakkorden. In der Stimmung erinnert die Begleit-Combo an die Rhythmusgruppen um Oscar Peterson, die sich auf so vielen Verve-Platten der späten fünfziger Jahre findet. So stattet das Label mit dieser Produktion erfolgreich wieder jener Klangwelt einen Besuch ab, für die es einst berühmt geworden ist.

Marcus A. Woelfle, 01.09.2007

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