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N° 1353
13. - 24.04.2024

nächste Aktualisierung
am 20.04.2024



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Silent Tongues

Cecil Taylor

Black Lion/Da Music CD 877633-2
(54 Min., 7/1974) 1 CD

Gerade als Keith Jarrett mit "Bremen / Lausanne" den Reigen seiner in Auswahl auch auf Platten vorgelegten, frei improvisierten Solokonzerte begann, entstanden - ebenfalls vor Publikum - auch Cecil Taylors erste reine Soloaufnahmen. Doch der konzeptionelle Unterschied zwischen beiden könnte größer nicht sein: Während Jarrett mit Vorliebe Nachklänge der Klavierromantiker aus Klassik und Jazz wie in Trance seinen musikalischen Bewusstseinsströmen entreißt und in seinen besten Momenten im Sinne der Zen-Buddhisten nichts will, sondern aus diesem Nichts etwas (meistens Wohlklingendes) entstehen lässt, bleibt bei Taylor stets das Gewollte, bewusst Gemachte spürbar.
Taylors immense Technik dient ihm zur Verarbeitung verschiedener, teils vorab entwickelter Motivzellen, die er dann in der Konzert-Situation abwechselnd oder simultan zu größeren Strukturen entwickelt. Seine scheinbar chaotische Musik folgt also in der Regel einer strengen inneren Logik. Auf dem Mitschnitt vom 1974er Jazzfestival in Montreux ist diese für Taylors Verhältnisse besonders leicht zu verfolgen, da sich der Auftritt in mehrere, scharf voneinander geschiedene Einheiten unterteilt.
Mit der Klaviatur scheint sich Taylor in einem fortwährenden Kriegszustand mit nur sekundenkurzen Feuerpausen zu befinden - nicht etwa, weil sie ihm nicht gehorchte, sondern weil das Klavier als verkapptes Schlaginstrument ein viel zu schwerfälliges Ungetüm ist, um darauf die fast schwerelose Musik hervorzubringen, zu der Taylor abheben möchte - und das aus wütend auf der Stelle tretenden Anfängen, die wie mit Bleigewichten behängt wirken: Darauf deutet zumindest die zunehmende innere Geschwindigkeit einzelner Passagen inmitten des gemäßigten Grundtempos hin - da verfließen die rasenden Glissandi zu einem kontinuierlichen Klangband, was beim Klavier mit seinen festen Tonhöhen gar nicht vorgesehen ist.
Auf diese Weise nähern wir uns mit Taylor aus der entgegengesetzten Richtung dem Ort, wo Jarretts Musik im Idealfall herkommt: einem Jenseits, das irdische Beschränkungen aufhebt. Sehr irdisch dagegen die Präsentation: Das Klangbild ist gepresster als auf meiner ziemlich abgespielten LP, und einen erläuternden Begleittext hat der Herausgeber nicht für nötig erachtet.

Mátyás Kiss, 01.09.2007


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