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N° 1353
13. - 21.04.2024

nächste Aktualisierung
am 20.04.2024



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100 Years Of Jazz – From Ragtime To Avantgarde

Diverse

Delta Music 40 012
10 CDs

Einem geschenkten Gaul schaut man nicht ins Maul. Und wenn man zehn CDs für weit unter hundert Mark bekommt, sollte man die Ansprüche nicht allzu hoch schrauben. Zwei Umstände wecken allerdings bei „100 Years Of Jazz“ höhere Erwartungen, als erfüllt werden: der Vollständigkeit suggerierende Titel und die Person, die für Titelauswahl und Kommentare verantwortlich zeichnet. Manfred Scheffner, seit mehr als dreißig Jahren Herausgeber des Bielefelder Katalogs Jazz und Leiter des Münchner Plattenladens „Jazz is Beck“, ist ein ausgewiesener Kenner. Ein Meister des geschriebenen Wortes ist er leider nicht. Wenn ein musikalisch Unbedarfter liest, „unterschiedliche Formen der europäischen Musik, wie Lieder und Märsche und der Blues waren die Wurzeln, aus denen der Jazz entstehen konnte“, dann schließt er, dass der Blues aus Europa kommt.
Solche Stilblüten und mancher sachliche Schnitzer wäre vermieden worden, hätte eine sprachlich und fachlich kompetente Person Korrektur gelesen. So trüben sie das Vergnügen an einem eigentlich guten Konzept: Jeder CD liegt nämlich ein Begleitheft bei, das neben den diskografischen Angaben einen Kommentar in deutscher und englischer Sprache enthält. Fachbegriffe kann man in einem zusätzlichen Glossar nachschlagen. Das Begleitbüchlein enthält außerdem einen Index, der sämtliche Musiker alphabetisch mit den Tracks auflistet, auf denen sie zu hören sind. Gute Idee!
Das Beispiel für afrikanische Trommelkunst korrespondiert wunderbar mit einer Schlagzeugdemonstration von „Baby“ Dodds (CD 1) - und hier zeigt sich die Stärke dieser Zusammenstellung: Die Musikauswahl ermöglicht so manchen aufschlussreichen Vergleich und Einblick.
Viele Musiker vor allem der frühen Jazzstile sind mit hervorragenden Beispielen repräsentiert: Louis Armstrong mit dem „West End Blues“, Bix Beiderbecke mit „Singing The Blues“, Ella Fitzgerald und Chick Webb mit „A-Tisket A-Tasket“. Fünf CDs decken die Zeit zwischen den Anfängen und dem Dixieland-Revival ab und stellen neben den meisten wichtigen Figuren auch weniger bekannte Musiker vor. Mit jeweils einer CD „Swing Into Bebop“, „Bebop“ und „Cooljazz/West Coast“ sind diese Phasen ebenfalls gut dokumentiert.
Bei „Hardbop“ wird es schon dünner. Das hat verständliche Gründe: Von den langen Tracks dieser Phase (unter anderem wegen der Erfindung der LP) passen weniger auf eine CD, und generell scheinen Plattenfirmen mit der Lizenzierung ihrer Aufnahmen umso mehr zu geizen, je jünger ihr Entstehungsdatum ist. Eine einzige CD mit dem Titel „Avantgarde/Free Jazz“ muss daher die gesamte Spanne vom Free Jazz bis zum Ende des Jahrhunderts abdecken. Ein Ding der Unmöglichkeit! Die spartanische grafische Aufmachung korrespondiert mit dem Verzicht auf Klangverbesserung durch digitales Mastering. Fazit: Man könnte so etwas sicher schöner und besser machen, vermutlich aber nicht zu diesem Preis.

Jürgen Schwab, 01.09.2007


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