Schon was die Anzahl überlieferter Aufnahmen angeht, waren die sechziger Jahre für Long Tall Dexter (L.T.D.) seine reichste Periode: die Serie der Blue-Note-LPs, die Rundfunkübertragungen aus dem Jazzhus Montmartre in Kopenhagen (dokumentiert auf meist bei Black Lion und Steeple Chase erschienenen Platten), schließlich der Vertrag bei Prestige. Aber auch rein qualitativ konnte Gordon nach einer Zeit unfreiwilliger Abwesenheit von der Szene in den Fünfzigern - er saß wegen Drogenbesitzes im Gefängnis - endlich die musikalische Ernte seiner frühen Jahre einfahren.
Bis auf die Interpretation einer Ellington-Ballade dauern alle Titel über eine Viertelstunde; man braucht aber nicht zu befürchten, dass dem in zahllosen Jam Sessions und "tenor battles" gestählten Gordon jemals die Ideen ausgingen. Bobby Timmons ("Moanin'") lenkt in seiner gewohnt bluesigen Art, gespickt mit spannungssteigernden Wiederholungen und Trillern, geschickt vom wie so oft grauenvoll klingenden Klavier ab - seine Trunksucht ist ihm nicht anzumerken. Auch der weniger prominente Rest der Rhythmusgruppe macht seine Sache ausgezeichnet.
Die Aufnahme muss mit einem sehr langsam laufenden Tonband gemacht worden sein; anders sind der zitternde Saxofonton und die vor allem das Klavier beeinträchtigenden Gleichlaufschwankungen nicht zu erklären. Aber die inspirierten Interpretationen rechtfertigen die Veröffentlichung in jedem Fall - zumal diese Besetzung kein Studio betrat und aus den letzten Jahren des 1974 verstorbenen Timmons so gut wie keine Mitschnitte existieren.
Mátyás Kiss, 07.06.2001
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