Bill Evans' drittes in Montreux aufgenommenes Album war zugleich sein zweites auf Platte dokumentiertes Duo mit seinem langjährigen Bassisten Eddie Gomez, dem Nachfahren Scott LaFaros und Vorgänger Marc Johnsons in seinem Trio. Leider wurde Gomez' Beitrag alles andere als optimal eingefangen, und die zwei von der Vinylplatte aus Platzgründen fortgelassenen Titel fehlen ärgerlicherweise auch hier, obgleich sie in den "Complete Fantasy Recordings" enthalten sind.
Zu den Aktivposten dieser Aufnahme zählt, dass man durch die Abwesenheit eines Schlagzeugers Zeuge von Evans' enormem Drive wird, der ein Rhythmusinstrument im Grunde überflüssig macht. Evans gelingt - ob auf dem Flügel oder dem E-Piano - der seltene Spagat, das Rubato der europäischen Romantik mit dem Swingfeeling des Jazz zu versöhnen: zum Gewinn beider.
Bill Evans erfreut wie stets durch eine im Jazz seltene Fülle unterschiedlicher Phrasierungen und Anschlagsarten zwischen zartem Streicheln und männlicher Attacke, vergisst dabei aber nicht, seinem virtuosen Begleiter genug Solo-Raum und gelegentlich sogar die melodische Führung zu lassen.
Mit einem geradezu schubertischen Stück wie dem unendlich traurig-schönen "Minha" scheint Evans zu suggerieren, dass das Paradies noch nicht völlig verloren ist: Zumindest als Hörer lädt er uns dorthin ein - auf die Gefahr hin, dass wir dabei unseren verschütteten Sehnsüchten wiederbegegnen.
Mátyás Kiss, 15.08.2002
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