Zu Beginn der fünfziger Jahre war Coleman Hawkins in der Publikumsgunst merklich gesunken. Auch die jungen Saxofonisten eiferten eher seinem Kontrahenten Lester Young und dessen coolen Schülern nach. In dem Maße aber, wie sich der Hardbop durchsetzte und damit wieder eine hottere Spielweise (z.B. bei Sonny Rollins), besann man sich auf den Urvater der voluminösen Expressivität. 1957 wurde zu jenem Jahr, in dem Hawkins sich endgültig wieder an die Spitze spielte. Besonders die diskografischen Begegnungen mit Monk, Eldridge und Ben Webster wurden Meilensteine.
Dieses Album steht dem nur wenig nach. In den vierziger Jahren hatte Hawkins mit nahezu jedem wichtigen Bebop-Musiker zusammengearbeitet und gezeigt, dass er stilistisch (im Gegensatz zu manchem seiner Schüler) immer noch „up to date“ war. Für „The Hawk Flies High“ griff er 1957 bewusst auf viele jener Musiker zurück, mit denen er zehn Jahre zuvor auf der modernistischen Seite gekämpft hatte: das Urbild der Bebop-Posaune, J. J. Johnson, der geschmackvolle Pianist Hank Jones und Oscar Pettiford, der Pionier des modernen Bassspiels waren darunter. Auch der Trompeter Idrees Sulieman gehörte zum Bebop-Kreis um Hawks Ex-Pianisten Monk.
War Hawkins' Musik ein Jahrzehnt zuvor nicht weniger experimentell gewesen als die der jüngeren, so gehörte er inzwischen zum sogenannten „Mainstream“. Dem trägt die Anwesenheit des Ex-Basie-Drummers Jo Jones und des traditionell „schrummenden“ Gitarristen Barry Galbraith Rechnung.
“The Hawk Flies High“ wurde auf Riverside, einem typischen Hardbop-Label veröffentlicht. Trotz all der anwesenden Bopper wurde es kein reines Hardbop-Album. Trotzdem erscheint das Album im Zeitkontext als Hawkins' Antwort auf damalige Back-To-The-Roots-Tendenzen im Hardbop. Blues und Gospel spielen hier eine fundamentale Rolle. „Sancticity“ ist in seiner Mischung aus ekstatisch-frommer Fröhlichkeit und typisch hawkinsscher Dramatik der Höhepunkt des Albums. Daneben ist Hawkins in zwei Balladen als Großmeister des Genres zu erleben. Er spielt eindringlich, eindrucksvoll, einprägsam, mit vollem Einsatz.
Jeder findet ein Haar in der Suppe, wenn er so lange auf den (Platten-)Teller schaut, bis eines, meistens sein eigenes, hineinfällt. Hier ist das Haar die Tatsache, dass der „Alte“ – er war erst einundfünfzig, aber einer der dienstältesten Jazzmusiker überhaupt - mit seiner verblüffenden Vitalität die Jungen alt aussehen lässt. Selbst ausgeschlafene Meister wie die Genannten wirken neben Hawkins verschlafen. Aber wer täte dies nicht?
Marcus A. Woelfle, 12.04.2001
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