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N° 1354
20.04. - 01.05.2024

nächste Aktualisierung
am 27.04.2024



Ein bedeutsames, dankbares Thema, eine weitgehend wohldurchdachte Szenenfolge, sehr qualifizierte Hauptdarsteller: Kari Tikkas Oper "Luther" weckt Interesse, regt zum Nachdenken an, nimmt teilweise auch gefangen. Sehr gut die Idee, den Totentanz mit seinem Ausblick auf die alles verschlingende Hölle als Kontinuum in der ganzen Oper präsent zu halten, sehr wirkungsvoll auch das vielfache Auftreten des Satans in zahlreichen unterschiedlichen Gestalten, verkörpert immer durch denselben Sänger: Lassi Virtanen, ein sehr hoher, beweglicher Tenor, verfügt über unnachahmlich plastische Ausdrucksmittel für das Diabolische. Ein wenig gewagt ist es vielleicht, Erasmus von Rotterdam mit seinem Postulat der Willensfreiheit ebenfalls als Marionette des Satans zu präsentieren - hier wird der große missionarische Eifer des von tiefer Gläubigkeit geprägten Komponisten ebenso sichtbar wie in dem Einfall, das Publikum von Zeit zu Zeit einen Luther Choral unbegleitet singen zu lassen. Als überzeugend erweist sich neben Lassi Virtanen vor allem auch der Darsteller der Titelpartie, der Bariton Esa Ruuttunen. Mit seiner kernigen, in jeder Lage präsenten Stimme verleiht er dem Reformator prägnante Gestalt, wenn er auch in der Vollhöhe durch unnötiges Abdunkeln seine interpretatorische Freiheit etwas verliert.
Trotz aller positiver Aspekte vermag allerdings die musikalische Ebene dieser Oper nicht vollkommen überzeugen: Allzu sehr ist Kari Tikka dem Musical und seinen vergleichsweise vordergründigen Mitteln verpflichtet. So mitreißend etwa die Totentanz-Musik in der Tableau-artigen ersten Szene das Gemeinte zur Geltung bringt, so ermüdend ist doch auf Dauer ihre häufige Wiederkehr, bei der Redundanz eine weitaus größere Rolle spielt als Innovation. Holzschnittartig und auf eher vordergründige Wirkung getrimmt ist auch die Musik vieler anderer Szenen: Oft wird nur über liegenden Klängen deklamiert, oft geraten die Melodien zu simpel; wo Tikka zu einer größeren ariosen Geste ausholt, entsteht Kirchentags-Kitsch: Das Gnadenlied Luthers z. B. ist aus diesem Grund nur schwer genießbar.
Man kann diese live in der Felsenkirche zu Helsinki produzierte Oper also durchaus um ihrer Thematik willen goutieren und genießt auch die Darbietung der Hauptdarsteller, muss hinsichtlich der musikalischen Aufbereitung des Stoffes jedoch Abstriche machen - am Ende bleibt ein ambivalenter Eindruck.

Michael Wersin, 01.09.2007


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