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N° 1354
20. - 30.04.2024

nächste Aktualisierung
am 27.04.2024



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Louis Vierne

Die Lieder von Louis Vierne

Rachel Santesso, Roger Vignoles, Andrew Reid, Hugh Webb

Deux-Elles/Note 1 DXL 1105
(61 Min., 2005) 1 CD

Nur den Liebhabern französischer Orgelmusik wird der Name Louis Vierne (1870 - 1937) wirklich ein Begriff sein: Die sinfonische Orgelmusik des langjährigen Titular-Organisten der Pariser Kathedrale Notre Dame gehört bis heute zum Kernrepertoire entsprechender Konzerte. Darüber hinaus spielt das Œuvre des Fauré-Zeitgenossen kaum eine Rolle im Konzertleben. Umso interessanter die vorliegende Einspielung seiner Lieder für Solosopran mit Klavier-, Orgel- oder Harfenbegleitung; man kann diese hörenswerten Stücke wohl am besten verstehen vor dem Hintergrund der bizarren Lebensgeschichte Viernes, die Rachel Santesso, die Vokalsolistin dieser Aufnahme, im Beiheft recht ausführlich erzählt: Blind geboren, erlangte Vierne durch eine Operation zumindest eine gewisse Sehfähigkeit; durch sein glühendes Interesse an Orgelmusik machte er César Franck auf sich aufmerksam und entwickelte sich im Anschluss an seine erfolgreiche Ausbildung zu einem der führenden Interpreten und Pädagogen seiner Zeit. 1900 wurde er Titularorganist von Notre Dame und schien am Ziel seiner Wünsche; da setzte eine dreißig Jahre währende Folge von Unglücksfällen auf allen Ebenen seines Daseins ein, die ihn gesundheitlich ruinierte und zu einem verzweifelten Menschen machte. An seinem Liedschaffen lässt sich eine stilistische Entwicklung vom typisch spätromantischen Tonfall in Fauré- oder Duparc-Nähe hin zu einem kargeren, härteren Idiom beobachten, das sein biografisches Unbill deutlich widerspiegelt. Während die früheren Lieder noch in glücklichen Tagen für Viernes Ehefrau komponiert wurden, waren die späten Werke Madeleine Richepin, Viernes treuer Begleiterin in den letzten beiden Lebensjahrzehnten, zugedacht. Ihr Gesangstalent scheint begrenzt gewesen zu sein, aber Vierne hielt unbeirrt - teils sicher aus Dankbarkeit - an ihr als Interpretin seiner Lieder fest. Ein Hauch von dieser finalen Tragik findet sich auch auf dieser CD wieder, denn Rachel Santesso verfügt zwar über eine berückend schön timbrierte Sopranstimme, die sie über weite Strecken effektvoll zum Einsatz bringen kann, kämpft aber mit deutlichen Höhenproblemen; in der oberen Lage wird ihre Stimme, je nach Zugriff, entweder dünn oder fest, und es kommt zu Intonationsunsicherheiten. Es passt fatalerweise zu Viernes auch über seinen Tod hinausreichendes Pech, dass dieses engagierte, in Teilen durchaus gelungene Projekt mit einem unüberhörbaren Makel behaftet ist.

Michael Wersin, 01.09.2007


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