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N° 1354
20. - 26.04.2024

nächste Aktualisierung
am 27.04.2024



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Karol Szymanowski

Werke für Klavier

Piotr Anderszewski

Virgin/EMI 545 730-2
(67 Min., 12/2004) 1 CD

Es war zu erwarten, dass dieser wundervolle Pianist, nach Wanderungen ins Sächsisch-Thüringische (zu Bach), gen Bonn respektive Wien (zu Beethoven; an letzterem Orte auch direkt zu Webern und Mozart), irgendwann den Weg nach Hause finden würde. Heimat, das meint in diesem vorliegenden Fall zugleich die musikalische wie die biografische Verortung: Denn wie Karol Szymanowski, das Objekt seiner diskografisch aktuellen künstlerischen Neugierde, ist Piotr Anderszewski Pole; wie dieser hat er seine Heimat (wenngleich wahrscheinlich weit länger als der Komponist) verlassen, um sein Glück in der (westlichen) Fremde zu suchen; und nicht zuletzt liegt ihm die Musik Szymanowskis wie die des anderen berühmten Landsmannes (Frédéric Chopin) am Herzen, in der Seele, kurz: ist diese verankert im Innersten seines Wesens.
Kaum sind die ersten Töne des ersten Stücks dieser CD, der "Schéhérazade" aus den "Masques" op. 34, verklungen, hat uns Anderszewski vom Teppich emporgehoben. Diese seltsame, exquisite Mischung aus Expressionismus und Introvertiertheit, aus Klangrausch und Selbstversenkung, wie sie die Stücke Szymanowskis auszeichnet, sie beschreibt im Wesentlichen auch schon die Mentalität des Interpreten, nebst seinem Faible, die musikalischen Dinge in scharfen Kontrasten darzustellen und den Hörer im Unklaren darüber zu lassen, ob er ein unwiederbringlich an die Romantik verlorener Sohn ist oder doch einer, dessen Strukturempfinden über den Klangsensualisten in ihm triumphiert. In diesem nur scheinbaren Widerspruch liegt einer der wesentlichen Qualitäten Anderszewskis, man könnte auch sagen: Er träumt mit offenen Augen, ist in der Welt, um aus ihr herauszutreten, und tritt hinaus, um sich in der gleichen Sekunde wieder in ihren Schlund zu werfen. Ein quasi dialektischer Ansatz, der unterfüttert ist mit jener ebenfalls dialektisch konnotierten, selten anzutreffenden Gabe, die Klänge zu spalten und sie im gleichen Moment wieder zusammenzufügen - was zumal in der Klaviersonate eine messerscharfe, sich in die Partitur gleichsam hinein schneidende Charakterisierung der behandelten Themen zur Folge hat. Was die beiden, die Sonate umrahmenden Miniaturzyklen ("Masques" und "Métopes") angeht, so sind sie ein gefundenes Fressen für Anderszewski. Ihnen beiden liegen mythische literarische Stoffe zugrunde, sie brauchen einen Erzähler. Anderszewski ist dieser Erzähler, ist selbst beinahe literarisch klingende Figur. Grandios. Wir erwarten weitere Geschichten.

Jürgen Otten, 01.09.2007


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