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N° 1354
20. - 28.04.2024

nächste Aktualisierung
am 27.04.2024



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Salvatore Sciarrino

Luci mie traditrici

Junko Saito, Timothy Sharp u.a., Ensemble Risognanze, Tito Ceccherini

Stradivarius /helikon harmonia mundi 33645
(70 Min., 7/2002) 1 CD

Eigentlich ist die Geschichte wie für ein rasantes Musiktheater-Stück mit Shakespeare'scher Tragödienfallhöhe gemacht: aus Eifersucht bringt der neapolitanische Herzog (und Renaissance-Komponist) Carlo Gesualdo seine Ehefrau und ihren Geliebten um. Und tatsächlich konnte der russische Komponist Alfred Schnittke sich den Stoff als Erster sichern. Für den Italiener Salvatore Sciarrino war dies jedoch kein Beinbruch, konnte er schließlich auf ein Barockdrama des Landsmannes Giacinto Andreas Cicognini zurückgreifen, der die Handlung zu einer blutrünstigen Eifersuchtsgeschichte gemacht hatte. Sciarrino verweigerte sich nun in seinem Zweiakter "Luci mie traditrici" (Meine verräterischen Augen) radikal jeder zugkräftigen Blutrünstigkeit, sondern schaute und hörte dem Sänger-Ensemble um Gesualdo in die Seelen.
Es sind beängstigende Spannungen zwischen Stille und Nicht-Stille, zwischen Sprechgesang und lodernder Gesangsgeste, mit denen Sciarrino auch eine Psychologie der Klänge schafft. Mit tastenden Klopfzeichen und zerbrechlichen Tonsäulen, mit Streicher-Flageoletts und zuckenden Flöten legt Sciarrino einen Ring nach dem anderen um die Sänger, denen schon mal die Luft zum Atmen wegzubrechen droht. Dann scheinen sich einzelne Laut-Glieder zu bilden, die sich in gespenstischer Unruhe dahinbewegen. Denn Sciarrino erzählt nicht, sondern stellt Schockzustände aus, für die er seine Musik in unterschiedlichste Aggregatzustände versetzt. Auf die Ersteinspielung des Werkes vor drei Jahren mit dem Klangforum Wien ist jetzt der erste Live-Mitschnitt herausgekommen. Und wie Dirigent Tito Ceccherini mit dem Ensemble Risognanze und den souverän agierenden Sängern das Blut und die Gedanken fesselnd in Rage bringen, unterstreicht beeindruckend, warum "Luci mie traditrici" mittlerweile eine der meistgespielten Opern jüngster Neuer Musik ist.

Guido Fischer, 01.09.2007


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