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N° 1354
20. - 29.04.2024

nächste Aktualisierung
am 27.04.2024



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The Complete On The Corner Sessions

Miles Davis

Columbia/Legacy/Sony 88697 06239-2
(408 Min., 3/1972 - 5/1975) 6 CDs

Als im Oktober 1972 das Miles-Davis-Album "On The Corner" erschien, reagierte die Jazzwelt mit Kopfschütteln, und viele der jüngeren Fans des Trompeters, die sich beigeistert von "Bitches Brew" in eine neue musikalische Welt hatten mitnehmen lassen, empfanden Monotonie und vermissten die Magie des originären Klangs seiner Trompete. Anderthalb Jahre später wurde das Album bereits verramscht. Miles Davis selber aber empfand "On the Corner" als Manifest seiner neuen Schaffensmethode; er wollte sich mit diesem Album explizit an eine schwarze Zuhörerschaft wenden, darum auch die grellen Karikaturen von Getto-Straßenszenen auf dem Cover. Den Misserfolg des Albums schrieb er einem am weißen Publikum orientierten Marketing von Columbia zu. Die üppige Ausstattung der jetzt vorgelegten, letzten "The Complete"-Ausgabe von Davis’ Werk bei Columbia mutet da wie eine späte Wiedergutmachung an. Auf der Metallbox prangen die Karikaturen von einst als Prägereliefs, und in einem 120 Seiten langen Booklet belegen Essays und Statements der Beteiligten den außerordentlichen Stellenwert dieser Sessions im Oeuvre des Prince of Darkness. Miles Davis, der mittlerweile seine Trompete nur noch elektrifiziert mit Wah-Wah-Pedal verfremdet spielte, ging mit wechselnden Musikern seines Umfeldes ins Studio. Zentral war dabei eine Rhythmusgruppe um den E-Bassisten Michael Henderson, zu der gleichzeitig neben Tabla-und Sitarspieler noch verschiedene Drummer und Perkussionisten gehörten. Die Schlagwerker spielten unbeirrt vertrackt verzahnte Metren über ausdauernde riffartige Bassostinati. E-Pianisten, Organisten und Gitarristen webten einen dichten Klangteppich harmonisch modaler Statik, und Davis steuerte dazu eher farbtupfende Einwürfe als diskursive Entwicklungen bei – auch die Rolle der anderen Bläser war eher ornamentisch ausgerichtet.
Erst durch Nachvertonungen, Manipulationen des Materials und Editierungen aus verschiedenen Takes entstanden dann die Alben "On the Corner", aber auch sieben Achtel von "Get up With it" und ein Take von "Big Fun". Und so stellt hier das "The Complete"-Konzept eigentlich den künstlerischen, a posteriori Album generierenden Akt eines Miles Davis und seines Produzenten Teo Marceo auf den Kopf. Wie rum auch immer, mit diesem Reissue mag sich zeigen, ob denn gilt, wovon die Protagonisten von damals überzeugt waren, nämlich dass diese Musik heute, Generationen später, als begeisternde Offenbarung empfunden würde. Die Bonus-EP jedenfalls mit ihren zupackenden Remixes von alten Davisnummern unter Mitwirkung u. a. von Carlos Santana aktualisiert den damaligen Davisangang und macht mächtig Laune.

Thomas Fitterling, 05.01.2008


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