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N° 1354
20. - 29.04.2024

nächste Aktualisierung
am 27.04.2024



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Wilhelm Furtwängler

Sinfonie Nr. 2

Chicago Symphony Orchestra, Daniel Barenboim

Teldec 0927 43495 2
(81 Min., 12/2001) 2 CDs

Wilhelm Furtwängler dürfte der unglücklichste Sinfoniker des 20. Jahrhunderts gewesen sein: Unter dem Zwang, Beethoven-Brahms-Bruckner noch zu steigern, an Mahler völlig vorbeigehend und um eine "Form nach der Form" ringend, geriet ihm diese zweite Sinfonie zu einem geradezu quälend dahin mäandernden Stück von epischen Proportionen, gedankenschwer und am Ende doch völlig nichtssagend. Es sind nicht Sequenzen, die Furtwängler vor uns auftürmt, sondern musikalische Mikro- und Makro-Entwicklungen, die ins Nirgendwo führen, blind im Fleisch enden wie die letzte Rippe.
Wolfgang Sawallisch hat auf Orfeo mit dem Bayerischen Staatsorchester bereits eine akkurate Einspielung vorgelegt, und Barenboim mit den Chikagoern ist rein instrumental noch eine ganze Ecke besser, auch die Klangtechnik konnte über zwei Jahrzehnte erwachsener werden - aber was nützt das, wenn die "Melancholie des Unvermögens", die man fälschlich Brahms vorgeworfen hat, sich hier doch noch Bahn bricht?
Furtwängler war ein humanistisch gebildeter Mann, der den höchsten Ansprüchen seines Vaters zu genügen hatte und sie so verinnerlichte, dass er sich fortwährend selbst damit peinigte - und lähmte, zumindest als Komponist. Da forscht ein unermüdlicher Sinnsucher und hofft wie Parsifal auf Erlösung im Reich der Klänge, verweigert sie sich aber immer wieder selbst, indem er, diesmal eher ein Don Quijote, anrennt gegen die Windmühlen seiner Zeit.
Im 19. Jahrhundert prägte sich das böse Wort von der "Kapellmeistermusik", gemünzt auf wackere Stabschwinger, die zu einer Oper noch eine Balletteinlage komponierten oder eine Schauspielmusik à la Mendelssohn. Im 20. Jahrhundert legte das Wort dann an hämischer Bedeutung zu, jetzt waren's gerade große Dirigenten, die sich übers pure Nach-Schöpfen erhaben dünkten und zu komponieren begannen. Einige (wie z. B. George Szell) mit gelungeneren, andere (wie Furtwängler) mit nur schwer erträglichen Resultaten. Danach rasch Furtwänglers Beethoven-Neunte aus Bayreuth auflegen!

Thomas Rübenacker, 01.09.2007


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Furtwänglers Musik ist schwer zugänglich, und sicherlich hätte es ihr oft gut getan, wenn sie schlicht nicht so lang wäre. Ein derart vernichtendes Urteil halte ich jedoch nicht für gerechtfertigt – Gerade der Einsatz des Dirigenten George Alexander Albrecht verdeutlicht, dass Furtwängler durchaus seinen Platz in der Riege der Sinfoniker des 20. Jahrhunderts hat. freilich niemals so genial wie ein Mahler oder ein Vaughan Williams, die Albrechts Bezeichnung als »Super-Bruckner« trifft die Sache allerdings wirklich gut. Allerdings ist für ein Verständnis dieser schwer zugänglichen Musik eben doch eine sehr tiefe Beschäftigung mit derselben vonnöten, für die der Rezensent ganz offensichtlich keine Zeit hatte. Gerade im Scherzo gibt es wundervolle Stellen, die es zu entdecken gilt. Wer diese Musik von etwas positiverer Seite kennenlernen möchte, der sollte den Bericht ebenjenes George Alexander Albrecht lesen: http://www.kultiversum.de/Musik-Partituren/ENTDECKUNGSREISE-Der-Super-Bruckner.html


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