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N° 1353
13. - 24.04.2024

nächste Aktualisierung
am 20.04.2024



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Joseph Martin Kraus

Klavierwerke

Ronald Brautigam

BIS/Klassic Center CD 1319
(72 Min., 8/2003) 1 CD

"Herbei Leute, nehmt ihn beim Schopfe und bürst ihm den zwanzigjährigen Morast erst vom Kopf und dann - wie's geschrieben steht. Lasst ihn quaxen so viel er will." Respektlos ging der junge Joseph Martin Kraus (1756 - 1792) mit Carl Philipp Emanuel Bach ins Gericht - das alternde Originalgenie war dem 21-jährigen Anhänger des Sturm und Drang nicht radikal genug. Später äußerte Kraus selbstkritisch: "Nach jedem Objekte streckte ich meine kleinen Hände, und griff selten zu kurz, aber wohl eine Spanne und oft eine Klafter weit voraus." Den Spötter, den Visionär und den zu moderateren Tönen Fähigen - alle drei Charaktereigenschaften spiegelt das schmale Klavierwerk, das uns Kraus hinterlassen hat. Ronald Brautigam hat es pünktlich zu Kraus' 250. Geburtstag vollständig auf CD eingespielt. Er ist jedoch nicht der erste, der sich um das kleine Œuvre verdient gemacht hat: Alexandra Oehler vereinigte die pianistischen Hauptwerke des Odenwälder Komponisten schon 2002 auf einer Scheibe, Jacques Desprès fügte 2003 in seiner Gesamteinspielung für Naxos noch zwei konventionellere Variationswerke und zwei satirische Menuette hinzu. Brautigams Einspielung ist sicher die bisher virtuoseste; sie hat zudem den Vorteil, dass ein Hammerflügel verwendet wird: das einzige Instrument, mit dem Kraus' eigenwilligen Oktavgängen und kargen Klopfmotiven klangschön beizukommen ist. Am stärksten wirkt Brautigam in den für Kraus eher untypischeren, klassisch ebenmäßig geformteren Stücken: der Es-Dur Sonate und dem Rondo F-Dur. In der spannenden großen E-Dur-Sonate, die vom Bachsohn ausgehend ohne Umweg über die Klassik in die frühromantischen Gefilde vorgreift, ist das Ergebnis zwiespältig: Einerseits bietet Brautigam im Detail ausgesprochen feine, dynamische und emotionale Schattierungen. Andererseits neigen seine makellosen Läufe zu einer gewissen Starrheit. Im Gegensatz zu Oehler nimmt er die langsamen Tempi oft etwas zu schnell, untertreibt Sforzati und elegische Seufzer - wenn auch in der noblen Absicht, Kraus' echt empfundene Frühromantik nicht zu falschem Beethoven oder Schumann zu verkitschen.

Carsten Niemann, 01.09.2007


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