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N° 1354
20. - 29.04.2024

nächste Aktualisierung
am 27.04.2024



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Franz Schubert

Sinfonie C-Dur D 944 ("Große")

Orchestra of the Age of Enlightenment, Charles Mackerras

Virgin Veritas/EMI 5 61254 2
(1987) aufgenommen in den Abbey-Road-Studios, London

Zum Schubert-Jahr 1997 ein verspätetes Plädoyer für eine der radikalsten und wichtigsten Interpretationen seiner großen C-Dur-Sinfonie. Sie entstand bereits 1987, wurde aber von den meisten Kritikern im trüben Meer des gleichförmig-elegischen Konkurrenzangebots nicht erkannt. Vielleicht lag es auch daran, dass weder das gerade neu gegründete Orchestra of The Age of Enlightenment noch der freundlich-bescheidene Sir Charles Mackerras zu der hitzköpfigen Prominenz der besonders radikalen Historisten zählten, so dass nicht einmal das völlig neuartige, ja geradezu revolutionäre Klangbild ihrer konsequent historisierenden Einspielung gebührend gewürdigt wurde.
Dabei hatte der Wiener-Klassik-erfahrene Sir Charles nach gründlichem Studium des Partiturautographs nur den authentischen Orchesterklang der Schubert-Zeit mit einem schon damals herausragenden Ensemble zu rekonstruieren versucht, was der "himmlisch langen" und elegisch-ausladenden Sinfonie zum erstenmal ein unerhört schroffes, reliefartig modelliertes, komplex geschichtetes Klangbild bescherte: So mochte sich Schubert das Werk innerlich vorgestellt haben, denn bereits Mendelssohns Uraufführungsversion von 1839 - zwölf Jahre nach Schuberts Tod - basierte auf einem ungleich "moderneren", streichergesättigten Orchesterklang.
Mackerras’ Radikalkur befreite Schubert endgültig vom schlechten Ruf des Beethoven-Epigonen und ließ Schuberts eigenen Weg zur großen Sinfonie viel klarer hervortreten. Er stellte lediglich die ursprüngliche Gleichwertigkeit zwischen Streichern, Blech- und Holzbläsern wieder her und befolgte peinlich genau Schuberts zahlreiche Artikulationsangaben.
Und plötzlich war die ganze falsche Gemütlichkeit, himmlische Langatmigkeit, und die schönfärberische Idylle eines zum Dogma erstarrten bürgerlichen Schubert-Bildes wie weggeblasen. Es traten scharfkonturierte, lebendige Gestalten aus dem vormaligen Niemandsland flächiger Eintönigkeit, ein fantastischer Detailreichtum wurde sichtbar, greifbar, die widerstreitenden Kräfte des wirklichen Lebens, der Seele, der dunklen Fantasie, bestimmten den Puls des sinfonischen Geschehens, und Schubert erschien zum erstenmal als großer Romancier des Sinfonischen, als eigentlicher Urvater der Romantik, so, wie ihn bereits anderthalb Jahrhunderte zuvor Robert Schumann nach seiner "Entdeckung" der großen C-Dur-Sinfonie gefeiert hatte: "Sag ich es gleich offen: Wer diese Sinfonie nicht kennt, kennt noch wenig von Schubert ... Hier ist, außer meisterlicher Technik der Komposition, noch Leben in allen Fasern, Kolorit bis in die feinste Abstufung, Bedeutung überall, schärfster Ausdruck des Einzelnen, und über das Ganze endlich eine Romantik ausgegossen, wie man sie schon anders woher von Schubert kennt. Und diese himmlische Länge der Sinfonie, wie ein dicker Roman in vier Bänden etwa von Jean Paul, der auch niemals endigen kann und aus den besten Gründen zwar, um auch hinterher den Leser nachschaffen zu lassen ... Die Sinfonie hat denn unter uns gewirkt, wie nach den Beethoven'schen keine noch."

Attila Csampai, 01.09.2007


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