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N° 1353
13. - 24.04.2024

nächste Aktualisierung
am 20.04.2024



Richard Strauss’ Einakter "Ariadne auf Naxos", sein drittes gemeinsames Projekt mit dem kongenialen Dichter Hugo von Hofmannsthal, ist an sich schon ein konzeptionelles und musikalisches Wunder: Welch ein herrlicher Einfall, der schieren Willkür eines gelangweilten reichen Mäzens die ungeheuerliche Idee entwachsen zu lassen, die bestellte Auftragskomposition heroischer Art "Ariadne auf Naxos" und eine ursprünglich als seichter Ausklang vorgesehene Komödie plötzlich gleichzeitig sehen zu wollen! Hinter den Kulissen treibt dieses Ansinnen den Konkurrenzkampf zwischen der Komödiantentruppe und den "ernsthaften" Künstlern einschließlich der Figur des jungen Komponisten der "Ariadne" auf die Spitze. Dann aber fügen sich beide Stücke ebenso geistreich und originell ineinander, wie der Komponist überraschende Gefühle für die scheinbar leichtlebige, im tiefsten Innern aber doch auch sehr sensible Soubrette Zerbinetta entdeckt... 1912 fiel die "Ariadne" praktisch durch, hier noch ein Anhängsel von Molières "Der Bürger als Edelmann", das Hofmannsthal und Strauss für Stuttgart eingerichtet hatten. Zum selbständigen Stück umgearbeitet, trat es ab 1916 dann den wohlverdienten Siegeszug an.
Noch ein weiteres Wunder belebt die Geschichte dieses Werks: Herbert von Karajans großartige Einspielung, entstanden in nur fünfeinhalb Tagen zwischen dem 30. Juni und dem 7. Juli 1954. Den für diese Einspielung versammelten Künstlern gelang eine faszinierend atmosphärische Interpretation ohne jegliche Durchhänger, wobei die andernorts mehr oder weniger deutlichen Defizite vieler der Mitwirkenden auf erstaunliche Weise nicht zum Tragen kommen oder kompensiert werden: Karajan etwa kommt völlig ohne selbstherrliches Pathos und überbrillantes Orchester-Gleißen aus; Elisabeth Schwarzkopf ist eine Idealbesetzung für die eingebildete, naserümpfende Darstellerin der tragischen Ariadne; Rudolf Schock, hier noch sehr gut bei Stimme, wächst in der halsbrecherischen Partie des Bacchus förmlich über sich hinaus. Rita Streich, oft als persönlichkeitsschwaches Nachtigallchen geschmäht, verleiht der Zerbinetta stimmlich wie interpretatorisch schlechthin ideale Gestalt; der 24-jährige Hermann Prey, in frühen Jahren sonst gern ein wenig larmoyant und intonationsschwach, wird von Karajan und dem Produzenten Walter Legge bei seinem EMI-Debüt zu früher Höchstleistung geführt ...Die Liste ließe sich noch fortsetzen, ohne jedoch die fesselnde Stimmung dieser Einspielung auch nur annähernd beschreiben zu können. Vielleicht wurde die eine oder andere der anspruchsvollen Partien mittlerweile schon einmal überzeugender umgesetzt; als Gesamtleistung jedoch ist diese "Ariadne" wohl niemals übertroffen worden.

Michael Wersin, 01.09.2007


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