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N° 1353
13. - 24.04.2024

nächste Aktualisierung
am 20.04.2024



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Anton Bruckner

Sinfonie Nr. 4 Es-Dur WAB 104 "Romantische" (Version 2, 1878-80)

Festivalorchester Luzern, Claudio Abbado

Edition Lucerne Festival
(65 Min., 10/2006) 1 CD, www.lucernefestival.ch

Ein Kreis von Supersolisten, aber kein Orchester: Gegen diesen kritischen Eindruck hat das Lucerne Festival Orchestra eine Weile kämpfen müssen; nicht ganz zu Unrecht. Denn was Virtuosen wie Reinhold Friedrich (Trompete), Sabine Meyer (Klarinette) oder Mario Brunello (Cello) diesem Ensemble von Abbadogetreuen an Individualität leihen, das fehlt dem Klangkörper zuweilen an Ganzheit.
Sei’s drum: Was man unter Claudio Abbado zum fünfjährigen Bestehen des Orchesters in Tokyo dem Publikum bescherte, klingt umwerfend hinsichtlich geschmeidiger Kraftentfaltung und eines Brucknerflusses, wie man dies bei wohl keinem anderen Interpreten findet.
Man mag diese "Romantische" unkantiger, idyllischer und naturhaft verklärter empfinden als es dem gängigen Brucknerbild entspricht. In der zweiten Version, die hier geboten wird, hatte sich der Komponist immerhin selber um eine Verflüssigung der Strukturen bemüht. Das Ergebnis klingt hier so schubertsch und unwagneresk wie nur möglich, das jedoch bei unvermindert großem Orchesterapparat, brütender Intensität der Themenentwicklung und einer an Zartheit kaum zu überbietenden Freiheit in den solistischen Momenten.
Im Andante gibt es so Augenblicke der Leichtigkeit und des sanguinischen Eskapismus, im Scherzo ungewohnt gelenkige Raffungen und im Finale Strecken von solch unpathetischer Erhabenheit, dass man sich staunend fragt, wie der Eindruck steifer Feierlichkeit hier bloß vermieden wurde. Schon oft hat man Abbados Deutung spätromantischer Großformate (auch bei Mahler) eine merkwürdige Lichtung der Widersprüche, ein fast unverständliches Bemühen um Kohärenz und All-Harmonik nachgesagt. Schade, dass dieser Ansatz in keinem geschlossenen Brucknerzyklus aus Abbados Spätphase dokumentiert wurde.
In dieser Aufnahme gelingt ihm, deutlicher als selbst im Konzert, eine sensationelle Verzauberung, Sinngebung und auratische Steigerung – beinahe ein Gegenentwurf zur Sichtweise Bruckners als Orgelkomponist für Orchester. Man erlebt eine Feier ohne (falsche) Feierlichkeit. Ob das ein Vermächtnis ist?

Robert Fraunholzer, 01.09.2007


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