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N° 1353
13. - 24.04.2024

nächste Aktualisierung
am 20.04.2024



Das neue Traumpaar der Oper liebt und leidet gemeinsam in Puccinis "La Bohème" – ein Medienereignis der Sonderklasse, vergleichbar fast nur mit der viel gepriesenen "Traviata" von Netrebko und Villazón. Produziert wurde das Spektakel im Zusammenhang mit einer konzertanten Liveproduktion in der Münchner Philharmonie im April 2007; es spielt – makellos und souverän mit schwelgerischer Klangfülle – das Sinfonieorchester des BR unter Betrand de Billy. Rolando Villazón konnte den Rodolfo vor seiner Stimmkrise noch mit beachtlicher stimmlicher Präsenz zelebrieren – ein Vergleich mit seiner Darbietung derselben Partie im Jahre 2002 auf der Bregenzer Seebühne zeigt, dass der gewohnte Glanz seiner Stimme, die Verschmelzung der Register und die Flexibilität des Ansatzes im April 2007 nicht merklich gelitten haben – allein die Vollhöhe (in der berühmten Arie "Che gelida manina" übrigens hier wie dort "nur" ein H, denn Villazón ließ transponieren) forderte etwas größere Anstrengung als einst im Jahre 2002. Wie gut ihm aber insgesamt seine stimmlichen Mittel im Frühjahr 2007 noch zur Verfügung standen, erlebt man besonders bei den dramatischen Ausbrüchen im dritten Akt: Da können auch im großen Katalog der Bohème-Einspielungen nur wenige noch mithalten, vor allem vielleicht der junge Pavarotti in den 70er Jahren, der damals noch edles Metall ohne jegliche Schlacken zu liefern in der Lage war.
Und Anna Netrebko, die Mimí an Villazóns Seite, muss sich freilich mit der jungen Mirella Freni vergleichen lassen. Hier fällt der Vergleich vielleicht ein wenig ungünstiger aus: Was die Freni in der Schipperseinspielung – aber auch nur da in dieser Vollkommenheit – an jugendlicher Frische, klanglicher Reinheit und technischer Perfektion in die Wagschale zu legen hatte, bleibt aus Sicht des Autors einzigartig; Netrebkos Leistung bewegt sich dennoch in Spitzenregionen (man höre auch hier besonders den dritten Akt!), sowohl im Vergleich zu anderen Vertreterinnen derselben Rolle als auch im Blick auf ihre eigene Diskografie, die ja bekanntlich auch ihre Schwachstellen hat.
Brillant besetzt sind zudem glücklicherweise viele der kleineren Partien: Nicole Cabell präsentiert die Musetta mit seltener Eleganz und Perfektion – ist doch gerade diese so dankbare Partie in vielen früheren Gesamtaufnahmen seltsamerweise ein Schwachpunkt. Und Boaz Daniel gibt einen famosen Marcello, männlich und strahlkräftig im Timbre; sicher eine große Begabung mit viel versprechenden Zukunftsoptionen. Kurzum: Diese "Bohème" kann man kaufen, auch wenn man schon die eine oder andere gute im Plattenschrank hat; im Falle von Opern, die bereits eine glorreiche Aufnahmegeschichte haben, gab es in den letzten Jahren selten eine so gelungene Neuversion.

Michael Wersin, 24.05.2008


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