Decca/Universal 478 0651
(53 Min., 7/2008) 1 CD
Ob es wirklich den Kunstcharakter klassischer Musik ausmacht, dass sie ständig neu gelesen werden kann, oder ob ihr Deutungsspielraum bloß ihre historische Haltbarkeit garantiert – lassen wir es an dieser Stelle dahingestellt. Hier jedenfalls ist einmal mehr der Coup gelungen, ein scheinbar längst durchdekliniertes Werk so anzugehen, dass man es, wie man so schön sagt, mit neuen Ohren hört. Und zwar vom allerersten Takt an: Unter Daniel Harding bereitet das Mahler Chamber Orchestra in der Einleitung kein pathetisches Drama vor, sondern ein feines Kammerspiel, in Klang und Phrasierung so behutsam behandelt, als sei’s eine Serenade von Mozart. Die Hauptrolle ist mit Janine Jansen im weiteren Verlauf ausgezeichnet besetzt: So wie bereits in früheren Aufnahmen, vereint die Holländerin nun auch bei Tschaikowski die Durchschlagskraft der gestandenen Virtuosin mit einer Neugierde und Offenheit, die im Notentext Fragen sieht, statt ihn gleich als Antwort zu präsentieren. Überrascht ist man vor allem darüber, wie konsequent sie mit Harding das Werk vor Rührseligkeiten, vor weinerlichem Pathos und emotionaler Verfettung bewahrt und es stattdessen in eine manchmal geradezu milde Stimmung der "Vertraulichkeit und Melancholie" (Jansen) versetzt.
An Energie mangelt es dabei ganz und gar nicht – Ensemble wie Solistin klingen hervorragend durchtrainiert. Ihre sportliche Dynamik, eher spontan-kleinteilig als in weiten architektonischen Bögen angelegt, inszeniert keine existenzielle Erschütterung, sie dient in erster Linie als Mittel zur Steigerung von Nachdruck und Konzentration. Wohl möchte man Janine Jansen die ein oder andere allzu verspielte Kapriole nachträglich ausreden und ihr versichern, dass auch bei großer Kunst nicht jedes Detail unbedingt interessant sein muss, doch ist ihre sehr persönliche Begeisterung fürs Werk und für dessen vollbrachte Wiedergeburt letztlich so nachvollziehbar wie sympathisch.
Raoul Mörchen, 31.10.2008
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