Carus/Note 1 CAR 83.414
(59 Min., 2/2008) 1 CD
Man muss kein Jünger "fortschrittlicher Materialbeherrschung" sein, um vieles an romantischer geistlicher Chormusik als epigonale, bürgerlich-sentimentale Palestrina-Nachahmung zu empfinden. Zum eher Stimmungs- denn Kunstvollen zählt auch Rheinbergers (kleines) Requiem in Es von 1867, das der KammerChor Saarbrücken unter der Leitung seines Gründers Georg Grün nun als Ersteinspielung auf Platte gebannt hat. Zwar weist das knapp 20-minütige, mottetisch gegliederte Werk auch chromatisch-anspruchsvollere Passagen (im "Tractus" etwa) auf, das ändert jedoch nichts an seinem harmonisch konventionellen und gebrauchsorientierten Grundcharakter, der jeden halbwegs geschulten Kirchenchor zu dieser Repertoirebereicherung einlädt. Bekanntlich ist Bruckners zweiter Gattungsbeitrag, die e-Moll-Messe für Doppelchor und 15 eigenständig geführte Bläser, von ganz anderem Kaliber. Geschrieben 1866 zur Grundsteinlegung der Votivkapelle des neuen Linzer Domes, demonstriert das Werk bei aller Reminiszenz an Palestrina, Gregorianik und imitatorischen Stil in den scharf dissonierenden Klangballungen, den gewaltigen Steigerungsbögen und den ganz auf den Textgehalt zielenden Ausdruckskontrasten die höchst eigenwilligen Ansprüche des getreuen Linzer Bischofsdieners an eine avancierte Kirchenmusik.
Hier zeigen sich gleichermaßen Qualitäten und Grenzen der renommierten Saarbrücker Truppe. Imposant und kompakt erstrahlen die hymnisch-ekstatischen Anrufungen, während manche klagende oder sphärisch-verklärende Passage (des "Sanctus" oder "Miserere") kleinere intonatorische Sopranprobleme und einen nicht immer lupenreinen Tonansatz offenbaren. Wer Frieder Bernius' Einspielungen romantischer geistlicher Chormusik, insbesondere die astralrein und doch empfindsam präsentierten "Cantus Missae" Rheinbergers, kennt, hört den kleinen Unterschied.
Christoph Braun, 13.12.2008
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