Hänssler Classic/Naxos 93.254
(69 Min., 9/2007 u. 7/2008) 1 CD, live
Die Marke Norrington hält, was sie verspricht. Man kann bei dem, was der 75-jährige Engländer seit gut zehn Jahren in Stuttgart anpackt, durchweg Neues erwarten – auch bei scheinbar Altbekanntem wie Tschaikowskis Fünfter. Zwar ist Norrington‘s "Stuttgart sound" inzwischen kein Mirakel mehr, sondern zum Schlagwort geronnen, das bequem zur Schubladenablage dient; doch der vibratolose "reine" Klang ("pure tone") des Stuttgarter RSO verhilft auch und gerade Tschaikowskis ebenso populärer wie geschmähter Fünfter zu bislang ungeahnten Einblicken. Es sind nicht nur die spektakulären (von ihren Kritikern seit jeher als plakatives Getöse geschimpften) Kulminationspunkte des sinfonischen Verlaufs, die in dieser Liveaufnahme aufhorchen lassen – gerade der gewaltsam in heroischem Dur einsetzenden Apotheose des Schlusssatzes nimmt Norrington viel von ihrem aufgesetzten Pomp; es verblüffen vor allem die verhaltenen, zwischen Depression, träumender Erinnerung und Hoffnungsschimmer angesiedelten Passagen, die Norrington zu Wundern subtilster Klangempfindung formt.
Es gibt wohl schneidigere, strengere Vergegenwärtigungen der dramatischen Ecksätze (etwa von Mrawinsky oder Fricsay), aber keine Aufnahme, die die Sensibilität Tschaikowskis insbesondere der Mittelsätze derart kongenial auffächert – und dies ganz ohne (Vibrato-)Sentiment, das ja gerade die lineare wie akkordische Durchhörbarkeit oft verhindert und einem plakativ emotionsgeladenen (Streicher-)"sound" opfert. Um es selbst etwas plakativ zu sagen: Hier liegt Tschaikowski in all seiner Verletzlichkeit und Widersprüchlichkeit nackt vor uns. Die Nussknacker-Suite "besänftigt" da natürlich, zumal sich Tschaikowski in Stuttgart als frühlingshaft-graziler Frischluft-Jünger präsentieren kann. Wie es sich für einen Blumenwalzer gehört.
Christoph Braun, 25.05.2009
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