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N° 1354
20. - 30.04.2024

nächste Aktualisierung
am 27.04.2024



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Anton Bruckner

Sinfonie Nr. 5 B-Dur

Philharmonia Orchestra, Benjamin Zander

Telarc/Inakustik 08060706
(147 Min., 1/2008) 2 CDs, plus Einführungs-CD

Der Dirigent Benjamin Zander hat das altehrwürdige Konzept des "Gesprächskonzerts" auf die Compact Disc übertragen: Keine Aufnahme von ihm, ob Beethoven oder Klangexzentriker wie Mahler und Bruckner, die nicht eine zweite CD mit klugen Werkanalysen des Interpreten enthielte. Dieser Neueinspielung von Bruckners Fünfter liegt sogar der Grundriss eines Sakralbaus bei, der mit dem musikalischen Prozess abgeglichen wird. Damit will Zander demonstrieren, dass "Kathedrale in Musik" mehr ist als nur ein wohlfeiles Journalistenklischee. Die Einführung beginnt mit einer wunderbaren Anekdote aus dem Ersten Weltkrieg, wie der Vater des Dirigenten im Schützengraben die Taschenpartitur dieser Brucknersinfonie studiert – und dann kommt eine vom Klavier beziehungsweise Orchesterauszügen unterstützte Analyse des Werks, worin der Dirigent in anschaulichen Bildern die Musik quasi "aufschlüsselt", auch für Laien lehrreich, ohne je didaktisch zu werden. Über das "Gesprächskonzert" geht das natürlich weit hinaus, denn die Einführung dauert noch einmal zehn Minuten länger als Bruckners sinfonischer Koloss, der Hörer aber lauscht gebannt – hier wie dort.
Entscheidend dafür ist, dass Zander mit dem Philharmonia Orchestra London nicht nur ein Exempel statuiert, sondern seine klugen Worte auch in sinnlichen, vibrierenden Klang umsetzt. Wie aus einem mythischen – oder wenigstens vorzeitlichen – Nachhall entwickelt sich diese Finalsinfonie unter einem gewaltigen architektonischen Bogen, und kein liebevoll ausgeleuchtetes Detail staut den Fluss wie oft sonst in Bruckneraufnahmen. Zander kann es sich leisten, mitunter zu verweilen, bei ihm sind auch die gefürchteten Bruckner'schen Generalpausen keine Löcher, sondern ein Innehalten (der Komponist nannte sie "Verschnaufer, bevor ich etwas Wichtiges sagen möchte"), worin das Vorhergehende nachzittert und das Kommende sich aufbaut, sozusagen die Kräfte gebündelt werden. So lässt die Spannung nicht nur nicht nach, sie wird gesteigert bis zur finalen "Entladung". Zwar scheut man bei dem züchtigen Bruckner die sexuelle Metapher, aber im Grunde hat es was davon: eine Ersatzhandlung, aber eine grandiose. Bruckners Frömmigkeit war ja eine durchaus "hörige", von seiner Wagnerverehrung erotisierte. Am Ende steht man mit dieser Aufnahme nicht in einem kalten, zu Architektur gefrorenen (kontrapunktischen!) Kathedralenraum, sondern in einem lebenden, sich verändernden Organismus. In Musik pur also.

Thomas Rübenacker, 29.08.2009


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