Carus/Note 1 CAR83.222
(66 Min., 1/2004, 10/2007) 1 CD
Der Titel führt etwas in die Irre. Denn nur eine der hier eingesungenen fünf Werke bzw. Werkgruppen hat die alttestamentarische Liebespoesie des "Hohen Liedes" zur Grundlage. So dass man Frieder Bernius' jüngste A-cappella-Veröffentlichung eher metaphorisch als (stilistisch breit gefächerte) "Hohe Kunst des Chorgesanges" verstehen – und bejubeln darf. Ihr besonderer Repertoire-Reiz liegt in zwei Ersteinspielungen sowie in vier Arrangements des großen Stuttgarter Chorpädagogen Clytus Gottwald. Ob im religiös motivierten Stil des Messiaen-Freundes Jean-Yves Daniel-Lesur, der 1952 sein siebenteiliges "Le cantique des cantiques" zwischen modernisierter Gregorianik und komplexer Dissonanzsprache ansiedelt, oder in Ravels "Soupir" und Debussys "Des pas sur la neige" (aus den "Préludes") sowie "Les Angélus": Das hell trimbrierte, klar strukturierte, mit einem Wort französische Kolorit ist stets präsent – selbst in den pessimistisch gestimmten Ravel- und Debussy-Arrangements, in denen es Clytus Gottwald frappierend "echt" gelingt, die exotisch-asiatischen Treibhaus-Klangflächen des Klaviers in 16 Chorstimmen zu übersetzen. Nicht minder berückend, wenn auch stilistisch und historisch denkbar weit entfernt, ist die "Missa a 16 voci", die Carl Friedrich Christian Fasch, der Begründer der Berliner Singakademie, 1783 nach dem römisch-"kolossalbarocken" Vorbild Orazio Benevolis komponierte. Die auf Kyrie und Gloria beschränkte lutherische Kurzmesse ist mit ihrer eminent anspruchsvollen, mal feierlich-kontemplativ, mal konzertant-virtuos geführten spätbarocken 16-Stimmigkeit (aufgeteilt in vier vierstimmige Chöre) nichts für Laienensembles, zumal sich der Sopran bis aufs dreigestrichene C aufschwingen muss. Wer Bernius kennt, der weiß, dass diese oberste Spielklasse gerade die richtige ist für seine lupenrein intonierende, denkbar schlank und wendig agierende Elitetruppe. Ebenfalls eine Entdeckung sind Gottwalds, auf Bernius' Wunsch hin geschaffenen Arrangements von vier Eichendorffliedern Schumanns. Bis auf die "Frühlingsfahrt" (op. 45/2) stammen sie aus dem 1840 konzipierten Liederkreis op. 39. Wüsste man dies nicht, dann glaubte man originär Schumann'schen Chorgesängen zu lauschen – so kongenial idiomatisch entführt vor allem die 10-stimmig gesetzte "Mondnacht" den Hörer in romantische Sehnsuchtswelten. Und einen stilsichereren Wegbegleiter als die Stuttgarter kann man sich dabei nicht denken. Das ist schlichtweg Chorkunst in Vollendung.
Christoph Braun, 28.08.2009
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