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N° 1354
20. - 26.04.2024

nächste Aktualisierung
am 27.04.2024



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Franz Liszt

h-Moll-Sonate u.a.

Boris Berezovsky

Mirare/harmonia mundi MIR 099
(60 Min., 3/2009 u. 6/2009) 1 CD

Eine Stunde mit Franz Liszt gefällig? Bitte schön, hier ist sie. Und durchaus mit Fantasie und Leidenschaft gefüllt. Vor allem aber mit Tempo. So sehr man in seiner Erinnerung auch kramt nach den bedeutenden Interpretationen der h-Moll-Sonate, keine war bislang darunter, die rascher durch die Welt trieb als dieser Livemitschnitt aus der Royal Festival Hall zu London. In nicht einmal 25 Minuten hastet Boris Berezovsky durch das vieldeutige Opus, so, als sei der Teufel leibhaftig hinter ihm her – oder als müsse er (in einem musikalischen Remake) Jean-Paul Belmondo in "Außer Atem" imitieren. Nicht einmal im Andante sostenuto findet Berezovsky wesentlich zu Ruhe und Einkehr. Das Poem h-Moll-Sonate mutiert zum flüchtigen theatralen Ereignis, zumal das Fugato nach dem Mittelteil gerät geradezu buchstäblich ... Nun ist aber der Russe keiner, der einfach so darauf losspurten würde. Dafür ist er viel zu klug (und ja, wie wir wissen, ein großer Pianist). Seine Wiedergabe hat System, sie will den gesamten dämonischen Ballast, der auf dem Stück lastet, abtragen und sämtliche musikalische Strukturen offenlegen, um jedwede semantische Deutung im Vornhinein ins Reich der Spekulation verweisen. Wer das unromantisch finden und lieber die Dreifaltigkeit aus Faust, Mephisto und Gretchen evoziert haben möchte, sollte diese Scheibe nicht antasten. Wer aber die rein pianistische Leistung bewundern möchte und darüber hinaus die Kunst des klanglich Filigranen und Delikaten im Schnellen, wird hingegen sein erkleckliches Vergnügen haben an diesem Parforceritt. Der im Übrigen einen lyrisch-dramatischen Epilog aufweist – in Gestalt des Miniaturzyklus "Venezia e Napoli" aus den "Années de pèlerinage", wo nur die Tarantella kurz das Feld der Behutsamkeit verlässt, sowie eines fürwahr interessanten Gespanns: hier der Mephistowalzer, bei dem der Teufel, rank und schlank, plötzlich wieder anwesend zu sein scheint, dort die "Harmonies du soir" aus den "Etudes d'exécution transcendante", die Berezovsky mit nachgerade existenzieller Wucht durchfurcht, um dann doch in verzückter Verklärung zu enden.

Tom Persich, 06.03.2010


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