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N° 1353
13. - 24.04.2024

nächste Aktualisierung
am 20.04.2024



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Frédéric Chopin

Nocturnes

Eugéne Mursky

Hänssler Profil/Naxos PH04072
(112 Min., 10/2008-1/2009) 2 CDs

Was soll man sagen? Es ist Chopin-Jahr. Und so rollt eine Chopin-Welle nach der anderen auf uns zu, unaufhörlich, unerbittlich. Und im Grunde ist ja eine jede Welle so beschaffen wie die Wellen im Mittelteil des F-Dur-Nocturnes op. 15,1. Erstmals begehrt hier der Meister auf, zeigt er nicht nur seine keusche Seite, sondern auch seine feurig-dämonische (und dies in f-Moll und mit schwer auf- und niederwogenden Sexten). Die dreiteilige Form aber will es, dass er sich bald darauf wieder besänftigt, mit einem Quartsprung aufwärts ist die Sache, will sagen das Lied, wieder im lyrischen Lot. Hört man nun den in Berlin lebenden usbekischen Pianisten Eugéne Mursky mit diesem Stück, so fehlt der krasse Gegensatz. Weder versenkt sich Mursky völlig in die Welt des Andante cantabile (mit der zusätzlichen Spielanweisung semplice e tranquillo), weil es ihm vermutlich zu kitschig anmutet, noch wirft er im "con fuoco"-Mittelteil alle Kantabilität über Bord, und alles, was da zuvor war an zarter Vernunft. Alles geschieht bei ihm auf moderat-sachlichem Wege, nicht nur in diesem Stück. Und deshalb bleibt er letztlich auf diesem Wege auch stehen, ohne dass er uns sagen könnte, was er eigentlich will mit diesen Nachtstücken. Gewiss, da ist Struktur, da ist melodischer Kern, eine veritable Ordnung und jede notwendige Organik, da sind weit gezogene stimmige Linien. Aber das reicht nicht wirklich. Die Nocturnes sind kein musikalisches Referat, sie verlangen nach einem entschiedenen Statement: Entweder sind es der Welt abhandengekommene Traumnovellen, die sich jeder Materialität entziehen, oder es sind weltzugewandte Reflexionen über diese Welt, mit einer determinierenden Aussage. Dazwischen gibt es wenig. Das Schicksal will es, dass Mursky sich genau in diesem Feld des Dazwischen (und also Wenigen) aufhält. Er hält Distanz zu den Extremen und macht die Stücke so kleiner, unbedeutender als sie sind. Was soll man sagen? Es ist schade. Um den Interpreten und um die Nocturnes.

Tom Persich, 15.05.2010


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