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N° 1353
13. - 24.04.2024

nächste Aktualisierung
am 20.04.2024



Tenorstimmen sind ein hochempfindliches Gut: Nicht wenige zerbrechen am harten Alltagsgeschäft des Singens, immer wieder verabschieden sich bejubelte Hoffnungsträger überraschend schnell in die Unbedeutsamkeit oder in geschützte, aber nicht immer seriöse Repertoirenischen. Der polnische Tenor Piotr Beczała hat den Fährnissen des Berufes bisher sehr gut standgehalten: Er hat sich nicht verheizen lassen, wurde freilich auch nicht von Marketingspezialisten ganz an die höchste Spitze katapultiert – und wird dennoch jetzt als Anna Netrebkos neuer Traumpartner gehandelt, nachdem der einstige Tenor an ihrer Seite jetzt vermutlich aus Not mehr in Mexikanisch und Folklore macht. Und so möge Piotr Beczała auch weiterhin ein so gutes Händchen bei Repertoirewahl und Terminplanung beweisen wie offenbar bisher, damit sein wunderbares Material so gut erhalten bleibt wie auf der vorliegenden CD. Sorgen machen muss man sich bei seinem Gesang nur selten – beispielsweise bei Rachmaninoffs "Lied des jungen Zigeuners" (einem einstigen Bravourstück von Nicolai Gedda), in dem Beczała bisweilen knackende Glottisgeräusche und ein etwas unfreies, deshalb auch nicht ganz intonationsreines hohes B als Schlusston hören lässt.
Davon abgesehen jedoch herrscht überwiegend eitel Sonnenschein in einem Programm, das bekannte Nummern wie die Lenski-Arie "Kuda, kuda" oder die Arie des Hans aus dem zweiten Akt der "Verkauften Braut" mit vielen wenig bekannten Stücken mischt: Opern von Moniuszko, Arensky oder Nowowiejski, die hierzulande wohl kaum jemand kennt, bereichern das Recital ebenso wie weniger Populäres von Tschaikowski oder Borodin. Und Piotr Beczała meistert das anspruchsvolle Repertoire durchweg mit einer glücklichen Mischung aus lyrischem Schmelz und dramatischer Kraft: Spitzentöne gelingen ihm zumeist offen und mit bruchlosem Ansatz, sie sind Höhepunkte weitgespannter Bögen und keine eitlen Einzelaktionen. Im Timbre ähnelt Beczała weiterhin seinem großen Vorbild Fritz Wunderlich, von dem er auch technische bzw. gestalterische Einzelheiten wie etwa die sehr weiträumige Bildung des Vokals A oder die häufig zum Einsatz kommenden Schluchzer übernimmt. Beczałas Geschmack verhindert, dass er die gelegentlich gestreifte Grenze zur Imitation überschreitet, aber, so könnten man salopp formulieren: Er „fritzelt“ ein wenig. Wenn das Gesamtergebnis ein so überzeugendes ist, dann sei’s ihm gegönnt und verziehen.

Michael Wersin, 16.10.2010


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