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N° 1353
13. - 24.04.2024

nächste Aktualisierung
am 20.04.2024



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Maximale Langeweile

Soko Steidle

Collector's Mine/Jazzwerkstatt JW 102
(50 Min., 11/2009)

Man kennt die Viererbande dieses Sonderkommandos aus der Bundeshauptstadt als Musiker des totalen Einsatzes. Bassklarinettist Rudi Mahall und Schlagzeuger Oliver Steidle bilden zusammen mit dem Gitarristen Frank Möbus den Roten Bereich, und Bassist Jan Roder und Altsaxofonist Henrik Walsdorff sind prominente Verdächtige der Radikalimprovisatoren-Szene. Sonst eingebunden in die von Möbus geprägten, immer wieder spröde klaren kompositorischen Strukturen des Roten Bereichs genießt Oliver Steidle hier Kommandanten-Freiheit und treibt seine Band in ein kompromissloses, quasi gnadenloses Improvisieren. Das gleicht einem Spielen ums eigene Leben, auch wenn immer wieder Strukturen suggerierende Wegmarken aufscheinen. Große Klasse ist das in der Titelnummer, dem ersten Track von insgesamt acht. Doch zunehmend wird die Musik zu einem Undercover-Unternehmen des Wiedergängertums, das in einem imaginären Retro-Milieu der 60er Jahre spielt, wo die stilbildende Free-Jazz-Session des legendären Ornette Coleman Double Quartet aus dem Geiste Wuppertaler Reminiszenzen im Roten Bereich der Berliner Szene wieder aufersteht. Es spricht für die Qualität der Musiker, dass sich der Höreindruck einer derartigen Verdoppelung ergibt, gleichzeitig bedeutet dies aber auch permanente Verdichtung rhythmischer und motivischer Aktionen in permanenter Dissonanz. Eine Musik, die von den Spielenden höchste Konzentration abverlangt und für sie gewiss höchste Befriedigung bedeutet. Dem willigen Hörer bleibt zunächst die Spucke weg – und schließlich die Konzentration: Das gnadenlose Spiel ums nackte Leben als Programm droht zur Pose zu gerinnen und in Langeweile umzuschlagen. Schade, denn dieses Sonderkommando ist eine Band außerordentlichen Potenzials und ihr Kommandant ein Musiker, der das Zeug zu Strukturen entwickelnder, Spannungsbögen generierender Gestaltung hat, wie sein großartiger Solotrack am Ende des Albums beweist.

Thomas Fitterling, 22.01.2011


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