Virgin/EMI 948 6252
(64 Min., 8/2010)
Äußerste Subtilität und Feinnervigkeit, erlesen in den Zwischentönen und schlank im Schwung – das sind die Hauptmerkmale im Klavierspiel von Piotr Anderszewski. Womit der Pole in Zeiten, in denen oftmals der Glamour mehr zählt als der Inhalt, schon fast den Rang eines Sonderlings eingenommen hat. Auch sein Schumann-Programm ist nicht gerade eines von der Stange. In drei Schritten durchmisst es die drei Lebensjahrzehnte Schumanns. Die 1830er ("Humoreske op. 20"), die 1840er ("Studien für den Pedalflügel op. 56") und schließlich mit den "Gesängen der Frühe op. 133" das letzte Dezennium. Und so vollkommen verschieden die drei Opera auf den ersten Blick sind, so hält Anderszewski sie über eine Klammer zusammen. Statt überschwänglich außer sich zu geraten, stellt er lieber nachdenklich eine Frage zu viel als zu wenig. Kopflastig spürt er Schumann aber keinesfalls nach. Vielmehr besitzt bei ihm gerade die "Humoreske" immer noch so viel Dringlichkeit, der Anderszewski gleich im ersten Satz mit lauten Pedalfußtritten Nachdruck verleiht.
Fast glaubt man, dass Anderszewski in solchen Sekunden wenigstens kurz mal auch Schumanns Florestan zu seinem Recht kommen lassen will. Denn ansonsten ist es das elegisch Eusebiushafte, das sich wie ein roter Faden durch die Aufnahme zieht. "Innig" (4. Satz aus den "Studien") bedeutet bei Anderszewski Nachsinnen. "Nicht zu schnell" übersetzt er mit einem ins Stocken geratenen Schwung. Und "im ruhigen Tempo" ("Gesang der Frühe") lässt Anderszewski bedächtig langsam Nebel über die Seelenlandschaft aufziehen – nicht ohne aber gleichzeitig weihevoll von Ferne Trost zu spenden. Und plötzlich fühlt man sich in diesen spätherbstlichen Hell-Dunkel-Schattierungen wie geborgen.
Guido Fischer, 12.03.2011
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