Philh. harmonie/Klassik aus Berlin! 4 250317 416117
(2007-2010)
Vor kurzem Reger, jetzt Schumann (und zuvor schon Weill, Hindemith, Strawinsky und Berg): Man kann Kolja Blacher, Juilliard-School-Absolvent, Sandor Veigh-Schüler, erst Hamburger und jetzt Berliner Hochschullehrer nicht gerade vorwerfen, den Mainstream zu bedienen. Fast ist man geneigt – zumindest bei jenen beiden Romantikern –, ihm einen Hang zu Mauerblümchen zu unterstellen, der den Aschenputteln unter den großen Violinkonzerten die volle Anerkennung verschaffen will. Das Rüstzeug dazu hat der heute 49-jährige Komponisten-Sohn zweifellos, nicht nur mit seiner „Tritton“-Stradivari von 1730. Schnörkellos, vibratoarm, kristallklar in der Tongebung, warm und kraftvoll vor allem in der Mittellage: Gerade bei Schumanns d-Moll-Opus sind diese Meriten hochwillkommen. Doch hilft es dem erst 1937, also 84 Jahre nach seiner Entstehung im Sommer 1853 uraufgeführten Werk zur Reputation? Dessen Rezeptionsgeschichte ist bekanntlich recht skurril, angefangen von Claras und Joseph Joachims rückwirkender Verbannung aus dem Werkverzeichnis (angesichts von Schumanns bald nach der Komposition einsetzender „Nervenzerrüttung“) über die spiritistischen Eingebungen zweier Joachim-Nichten bis zum Uraufführungsversuch der Nazis und ihrer Helfer Georg Kulenkampff und Karl Böhm, das ehemals einem Geisteskranken zugeschriebene Werk als urdeutsches Gegenstück zum „jüdisch-dekadenten“ Violinkonzert Mendelssohns aufzubauen (und das auch noch in einer Bearbeitung des verfemten Hindemith). Auch Blachers Einspielung – in bewunderungswürdiger Personalunion von Solist und Dirigent – kann manches stilistisches Fragezeichen des Eröffnungssatzes nicht annullieren; doch das intime Melos des langsamen Satzes wie auch das von Blacher betont langsam genommene, brillante Polonaisen-Rondo dürften der endgültigen Würdigung des umstrittenen Spätwerks beste Dienste leisten. (Bleibt nur das Manko, dass Blacher in seiner Aufnahme vom November 2007 noch nicht das erst 2009 edierte Originalmanuskript verwenden konnte). Die unaffektierte, unsentimentale Art Blachers verleiht auch den drei lyrisch-volksliedhaften Romanzen op. 94 sowie der aufwühlenden ersten Violinsonate vom September 1851 eine hochwillkommene „Objektivierung“ – ohne dass man ihrer düster unheilvollen Unruhe etwas schuldig geblieben wäre. Da auch Vassily Lobanov seinen Klavierpart bei aller Emphase stets kontrolliert und unprätentiös gestaltet, wohnt man einer Schumann-Glücksstunde bei.
Christoph Braun, 23.07.2011
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Sehr geehrter Herr Braun,
Meines Wissens ist vor kurzem das Reger Violinkonzert in der Fassung von Adolf Busch von Kolja Lessing eingespielt und bei Telos veröffentlicht worden. Eine Aufnahme des Reger Violinkonzert mit Kolja Blacher ist mir nicht bekannt, wäre aber sicherlich sehr interessant.