Was macht gute Musik aus? „It’s high and low and fast and slow“, soll Miles Davis einmal gesagt haben. Perfekt. Und es passt zugleich auf das Album „Vägen“ des Tingvall Trios. Die drei bauen aus diesen Elementen wunderbare Spannungsbögen, von Omar Rodriguez Calvo mit pulsierenden Kontrabasslinien grundiert, von Jürgen Spiegel mit phantasievoll variierten Rhythmen kontrastiert. Martin Tingvall vereint am Flügel rhythmische Finesse mit einprägsamen, nicht zu langen Melodien und harmonischen Wendungen, die gleichermaßen nach Erlösung und Fortsetzung verlangen. Hinzu kommt sein differenzierter Anschlag, der das Instrument facettenreich zum Klingen bringt – diese Fähigkeit zählt zum Reiz seiner Solonummer „På Väg“. Hier und in den Trionummern schafft Tingvall stets Raum, in dem Melodien nachklingen können, ohne gleich von neuen abgelöst oder übertrumpft zu werden. Packende Rhythmen, die eher von Rock, Latin oder Drum’n‘Bass als vom klassischen Swing inspiriert sind, bauen sich zu Energieknäueln auf, die entspannten Zwischenspielen weichen, bevor neue Kraftfelder entstehen. Das hält Band und Publikum wach, zumal die Aufnahme spiegelt, wie scharf und markant der Kontrabassist Calvo artikuliert, wie er seine Töne singen und klingen lässt, wie sie atmen und wie nuancenreich der Schlagzeuger Spiegel seine Instrumente schlägt, reibt und kratzt. Der auch für ECM aktive Tonmeister Stefano Amerio hat neun der zehn Titel im Verlauf von zweieinhalb Tagen im Arte Suono Studio im italienischen Udine so klangrein aufgezeichnet, dass auch die Liebhaber audiophiler Produktionen ihre Freude haben – und dies bei einem kristallineren Finish, das sich vom ECM-Ideal unterscheidet. Beim zehnten Stück, „Efter Livet“, ergänzen Streicher und Hörner das Trio. Dieser in Hamburg aufgezeichnete Titel schmeichelt sich angenehm ins Ohr und rundet die Disc unauffällig ab. Ein guter Schluss, der Appetit darauf macht, die Repeat-Taste zu drücken.

Werner Stiefele, 03.09.2011

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