Chandos/Codaex CHSA 5095
(63 Min., 1 & 3/2011) SACD
Leider wurde Bernhard Herrmann (1911 - 1975) niemals damit beauftragt, die Musik zu einem Moby-Dick-Film zu schreiben. Ein Trost für alle Bewunderer des Schöpfers von Klassikern der Filmmusik wie „Vertigo“, „Psycho“ und „Taxi Driver“ ist es, dass Herrmann zumindest eine Kantate über Melvilles Roman schuf. Das Werk für zwei Solisten, Männerchor und Orchester ist Herrmanns Freund Charles Ives gewidmet und wurde 1940 von niemand Geringerem als Sir John Barbirolli uraufgeführt. Wer auf atmosphärische maritime Tonschilderungen hofft, wird nicht enttäuscht: Immer wieder gelingt es Herrmann, eine Brise, die erste Begegnung mit dem Atlantik, Unruhe auf und unter Deck oder einen Tag auf See unter stahlblauem Himmel mit orchestralen Mitteln zu beschwören, ohne in billige Hollywood-Klischees zu fallen. Formeller und opernhafter ist dagegen die einmontierte Genreszene mit tanzenden betrunkenen Seeleuten. Problematisch aber wird das Stück in den rezitativischen Passagen zu Ausschnitten aus Melvilles Roman: Zwischen Melos, Pathos und atonal aufgerauter Wagner-Nachfolge pendelnd, findet Herrmann hier zu keiner eigenständigen vokalen Sprache. Dass das Werk trotzdem mehr ist als die Summe seiner Einzelteile, ist das Verdienst von Michael Schønwandt, der als Nielsen-Experte die besten Voraussetzungen mitbringt, widerborstige und schroffe Partiturpassagen zum Leuchten zu bringen.
Eine inspirierende Zugabe ist Herrmanns Sinfonietta für Streichorchester, die hier in der Urfassung von 1936 zu hören ist: ein brillant instrumentiertes Stück, das im Bann der Schönberg-Schule komponiert wurde und nicht von ungefähr für die zweite Hälfte von Hitchcocks „Psycho“ Pate stand.
Carsten Niemann, 24.03.2012
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