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N° 1354
20. - 30.04.2024

nächste Aktualisierung
am 27.04.2024



Volksmusikalische Elemente beginnen nicht erst im 19. Jahrhundert – innerhalb der sog. „nationalen Schulen“ – in die Klassische Musik einzufließen. Auch lange Zeit davor befruchten sich die beiden Parallelkulturen schon immer wieder einmal, wenngleich auch nicht so umfassend und so gezielt wie schließlich bei Bartók & Co. Georg Philipp Telemann berichtet sogar in seiner Autobiografie ganz explizit von der Inspirationsquelle „Wirtshausmusik“, an der er sich während eines Aufenthaltes im oberschlesischen Plesse womöglich recht umfangreich bediente: „Ein Aufmerckender könnte von Ihnen [den Wirtshausmusikern], in 8 Tagen, Gedancken für ein gantzes Leben erschnappen“. Wie Telemann solche „Gedancken“ dann innerhalb der konventionellen barocken Formen nutzbar macht, demonstrieren Vittorio Ghielmi und seine Musiker am Beispiel des Telemannschen Doppelkonzertes a-Moll für Blockflöte, Gamba und Streicher. Ein wenig volkstümliches Kolorit steuert Marcel Comendant mit einem improvisierten Prä- und Postludium auf dem traditionellen Cymbalon, einem Hackbrett, bei.
Des Weiteren liegt der Akzent beim hier vorgestellten Repertoire auf der Gambe als Soloinstrument im Rahmen der barocken Concerto-Form. Vor allem Johann Gottlieb Graun, der als Konzertmeister in Diensten Friedrichs II. stand, hat für diese reizvolle, aber eher rare konzertante Besetzung effektvoll komponiert, wie wir hören. In Vivaldis gewaltigem Œuvre findet sich ein schönes Doppelkonzert für Violine und Gambe, und auch Tartini scheint das Instrument berücksichtigt zu haben, wenngleich die Quellenlage beim hier eingespielten „Concerto in a-Moll“ etwas komplizierter ist.
Bleibt noch zu erwähnen, dass Vittorio Ghielmi und seine Mitstreiter auf höchstem Niveau musizieren: markant, bisweilen ein wenig ruppig in den schnellen, weich und expressiv in den langsamen Sätzen. Die interpretatorische Umsetzung der in der Musik verborgenen Affekte geschieht in unmittelbar einleuchtender, mitreißender Weise, das Zusammenspiel ist schlichtweg vollkommen: eine schöne CD.

Michael Wersin, 05.05.2012


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