Hänssler Classic/Naxos 98.650
(71 Min., 4/2012)
Mit seiner Gesamtaufnahme der Klavierwerke Robert Schumanns, die am Ende 15 CDs umfassen soll, ist Florian Uhlig nun bei Teil 4 angelangt. Schumanns halbjähriger Aufenthalt in Wien (1838/39) ist der biografische Hintergrund für diese Folge, die einige äußerst reizvolle Werke enthält: Der „Faschingsschwank aus Wien“ ist hier ebenso zu hören wie das „Blumenstück“ Des-Dur und die „Humoreske“, dazu noch ein paar kleinere Stücke, unter denen auch eine alternative Erstfassung des Beginns des „Blumenstücks“ ist, die erst 1977 veröffentlicht wurde. Mit Details dieser Art untermauert Uhlig den auch „wissenschaftlichen“, den enzyklopädischen Charakter seiner Gesamtschau, für die er das theoretische Wissen des Schumann-Forschers Joachim Draheim in Anspruch nehmen darf.
Soweit, so gut. Aber wenn es dann an die Musik als solche geht, bleiben leider eine Menge Wünsche offen. Es kann zwar kein Zweifel daran bestehen, dass Uhlig Schumanns intrikate Partituren technisch bemeistert, aber das ist eben doch bei weitem nicht alles. Nehmen wir den „Faschingsschwank“: Welch eine mitreißende Wildheit spürt man schon im ersten Satz, wenn man ihn etwa von Arturo Benedetti Michelangeli interpretiert hört! Wie lässt der Italiener die gebrochenen Akkorde unter der aufstrebenden Melodik förmlich explodieren und befeuert dadurch die Musik quasi von innen her! Kaum etwas ist davon bei Uhlig zu spüren. Dann der zweite Satz, die „Romanze“: Michelangeli zaubert mit allen zu Gebote stehenden dynamischen und agogischen Mitteln, er zelebriert aus dem Notentext ein differenziertes Stimmungsbild heraus; Uhlig bleibt dagegen eindimensional. Gleich am Beginn des „Scherzino“ spielt Michelangeli kreativ mit den tiefer gelegten Wiederholungen der ersten Phrasen, verstärkt den Kontrast mit dynamischen und vor allem mit klangfarblichen Mitteln – eigentlich eine Selbstverständlichkeit. Uhlig hingegen streicht im Gegensatz dazu durch fehlende Kontrastierung die Redundanz geradezu heraus. Und dann im „Intermezzo“: Welches Feuer entfacht die schnelle Mittelstimme, die unter Liegetönen oder während Pausen der Oberstimme immer wieder hervorwogt und nervöse Spannung erzeugt. Bei Uhlig bleibt auch diese Satzstruktur hinsichtlich ihrer Möglichkeiten unausgeschöpft.
Freilich: Ein Michelangeli hätte sich niemals vor den Karren eines solchen Mammut-Unternehmens spannen lassen. Seine Darbietungen bleiben ausgewählte Genieblitze, er hat sich niemals der editorischen Mühe einer Gesamtschau unterzogen. Aber: Wenn wir Franz Vorrabers Gesamteinspielung der Klavierwerke Schumanns bei Thorofon zum Vergleich heranziehen, dann stellen wir fest: Auch sein „Faschingsschwank“ ist in puncto Kreativität um Dimensionen reicher als derjenige Uhligs. Man muss also kein Michelangeli sein, um diese Musik so spannungsreich, vielschichtig, unruhig und aufgewühlt zu spielen, wie sie, ziehen wir Schumanns Charakter als Maßgabe mit heran, doch wohl zu klingen hat.
Michael Wersin, 16.02.2013
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