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N° 1308
03. - 09.06.2023

nächste Aktualisierung
am 10.06.2023



Johannes Brahms

Sinfonie Nr. 1 u.a.

Schwedisches Kammerorchester, Thomas Dausgaard

BIS/Klassik Center BISSACD-1756
(65 Min.) 3/2011 CDs, SACD



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Johannes Brahms

Sinfonien Nr. 1 und 3

WDR Sinfonieorchester Köln, Jukka-Pekka Saraste

Hänssler Profil/Naxos PH 13028
(79 Min., 1/2013)



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Ich ärgerte mich immer über das Auftauchen jenes abgenutzten, ja eigentlich ekligen Unwortes der Musikrezension, „Entschlacken“, womit zeitgeistig „informierte“ Autoren wohl sagen wollen, sobald ein sinfonisches Werk des abendländischen Kanons in merklich verdünnter Besetzung und möglichst ohne Streichervibrato dargeboten werde, sei die Interpretationsgeschichte endlich von allem „Aufgedunsenen“ (liest man auch) bereinigt. Das ist natürlich Ideologie. Dass hier mit Brahms` „Erster“ ein unerhört wach und präzise musizierendes Kammerensemble ein etabliertes Sinfonieorchester regelrecht deklassiert, hat nicht mit unguten Säften, sondern ausschließlich mit der Absicht zu tun, ein in seiner Kanonisiertheit ermüdetes Werk mit erneuertem Staunen zu befragen, anstatt es in schläfriger Vertrautheit zu durchschreiten. Dazu taugt letztlich jedes Mittel, vorausgesetzt, interpretatorische Intelligenz ist am Pulte.
Wach wird man vom ersten Takt an mit dem Swedish Chamber Orchestra unter Thomas Dausgaard. Das Tempo der Introduktion ist straff, aber nicht überhetzt, die espressivo-Dialoge der Holzbläser wunderbar ausgesungen und der Paukenwirbel überdröhnt die Streicher einmal nicht. Ich habe immer gedacht, dieser später hinzukomponierte Eingang könne die Atmosphäre brütender Unheilserwartung nur im vertrauten, schweren Kleid entfalten, aber dieser schneidenden „light“-Fassung gelingt es eindringlich, zumal sie in einer seltenen Stringenz auf den tutti-Stromschlag zustrebt, mit dem das Allegro beginnt. Wenn ich den Unterschied zur Fassung mit dem WDR Sinfonieorchester Köln unter Jukka-Pekka Saraste in größter Kürze charakterisieren sollte, wäre es dieser ff-Schlag, der bei Saraste etwa so klingt wie eine auf dem Straßenpflaster aufplatzende Melone. Dieser Klang steht für das Ganze: interpretatorisch ungeformtes Routinespiel, saftig-opulent, gefällig, aber wirklich an keiner Stelle bewusst gestaltet. Die zerklüftete Landschaft der Durchführung wird zu lähmender Langweiligkeit eingeebnet, und nicht einmal den kurzen Dur-Lichtblick in der Coda würdigt Saraste eines Partiturblicks. Dabei steht er hier nun wirklich vor einem Monument der Qualen und Skrupel, das Brahms von den ersten Skizzen bis zur Vollendung mehr als 20 Jahre gefangen hielt, und das sollte man diesem schroffen Satz anhören. Dausgaard gelingt das. Mag mit seinem kleinen Ensemble auch keine pathetische Wucht in der Durchführung zu entfesseln sein, das dynamische Relief ist von nervöser Zerfurchtheit. In dramatischen Schlüsselmomenten wie dem Abstieg ins Pianissimo-Tal vor dem Höhepunkt knistert dieses in eisernem Metrum gehaltene Musizieren vor elektrischer Spannung. Und gestattet sich Dausgaard einmal ein kurzes energisches Anziehen, etwa in den zaghaft sich ins Dur wendenden Takten vor dem fahlen Zusammensinken der Coda im Meno allegro, wirkt das geradezu aufpeitschend.
Selbst im Finale, dessen Thema die Kölner Streicher so sonor abliefern können, wie es kein noch so klug artikulierendes Kammerorchester könnte, erreicht Dausgaard ein ganz anderes Reflexionsniveau jenseits satten Schönklangs. Tritt nach dem Aufschrei am Ende der Durchführung das Alphornthema noch einmal auf, schwelgen alle Blechbläser. Aber die unmittelbar folgenden diminuendo-Takte mit ihren erlöschenden Sextengängen sind dann den meisten Orchestern kaum mehr als entweichende Luft und inhaltsleere Zäsur – hier aber beginnen sie zu sprechen, grübelnd und unheimlich. Es sind wichtige Takte, in denen Brahms` Skepsis dem finalen Erlösungsgeschehen noch einmal im Wege steht. Saraste mit seinen Kölnern spielt einfach drüber weg, als sei man gedanklich schon beim jubilierenden Dampflokschnaufen der Coda. Die Schweden aber konfrontieren uns auch hier mit der ganzen Skepsis, die diesem Problemwerk eingeschrieben ist.

Matthias Kornemann, 22.06.2013




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