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N° 1354
20. - 30.04.2024

nächste Aktualisierung
am 27.04.2024



Als im vergangenen Jahr Mezzosopranistin Anne Sofie von Otter eine CD mit italienischen Barockarien herausbrachte, traute man seinen Ohren kaum. Das lag aber weniger an Otter als vielmehr an der Kantate eines gewissen Francesco Provenzale (1624 - 1704). Denn der Neapolitaner hatte da auch mit Tambourins außer Rand und Band einen volksmusikalischen Drive gezündet, der direkt in die Beine geht. Noch bis vor Kurzem war es Provenzale erfolgreich gelungen, unter dem Radar von Alte Musik-Schatzgräbern durchzurutschen. Doch plötzlich setzte sich nicht nur Otter für ihn ein, sondern auch Alessandro De Marchi als Dirigent und Chef der Innsbrucker Festwochen für Alte Musik. So brachte De Marchi dort 2012 mit „La Stellidaura vendicante“ (Die Rache der Stellidaura) eine von Provenzales zwei überlieferten Opern auf die Bühnenbretter. Nimmt man den Titel beim Wort, scheint es in dem 1674 uraufgeführten und nun weltersteingepielten Dreiakter eher blutrünstig als vergnüglich zuzugehen. Und tatsächlich stehen in diesem Liebesdrama mit den üblichen Eifersüchteleien und Intrigen (gescheiterte) Mordpläne und (nicht umgesetzte) Todesurteile auf dem Plan. Doch auch diesen Tragödienstoff hat Provenzale wirkungsvoll mit komödiantischen Einlagen gespickt. So sorgt ein Diener mit seinem kalabresischen Slang für turbulente Verwicklungen unter den Hauptpersonen. Zudem hat De Marchi für seine Rekonstruktion der verlorengegangenen Originalpartitur Schlag- und Zupfinstrumente revitalisiert, die im Neapel des 17. Jahrhunderts auf Marktplätzen und an Straßenecken erklungen sein dürften.
Dieser effektvolle Mix aus innigen, an Monteverdi und Cavalli anknüpfenden Arien, Commedia dell´arte und folkloristischem Feuer liegt denn auch bei De Marchi und den Musikern seiner Academia Montis Regalis in den allerbesten Händen. Dass das Stück dennoch nicht vollends zündet, geht aufs Konto mancher Sänger. Gerade Mezzosopranistin Jennifer Rivera als begehrte und begehrende Prinzessin Stellidaura fehlt allein schon das sinnlich Süße, um Männern den Kopf zu verdrehen. Und Countertenor Hagen Matzeit gibt ihren Pagen Armillo allzu überdreht clownesk. Immerhin Andrian Stropper als Stelliduras Angebeteter und Carlo Allemano als sein Widersacher Orismondo wissen mit tenoraler Wärme zu überzeugen. Eigentlicher Star der Aufnahme ist daher Bass Enzo Capuano, der als Diener alle Register des neapolitanischen Klamauks zieht.

Reinhard Lemelle, 31.08.2013


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