harmonia mundi HMC 902159
(51 Min.)
„Ganz verliebt“ soll Constanze Mozart in die Bachischen Fugen gewesen sein, die ihr Mann vom Musikmäzen Gottfried van Swieten mit nach Hause brachte. Eine spätere Frucht dieser Liebe dürften die Bearbeitungen sein, die Wolfgang Amadeus von einigen dieser Fugen für Streicher anfertigte. Allerdings war er nicht der Einzige: In einer Wiener Handschrift vom Ende des 18. Jahrhunderts finden sich einige Streicherbearbeitungen genau jener Fugen aus dem „Wohltemperirten Clavier“, mit denen sich auch Mozart beschäftigte. Spannend an dieser anonymen Handschrift ist, dass sie auch neu komponierte Einleitungen zu den Fugen enthält – wohl deswegen, weil Bachs Präludien in Wien nicht erhältlich waren.
Für diese Aufnahme hat die Akademie für Alte Musik Berlin nun Mozarts Fugentranskriptionen mit den anonymen Einleitungsstücken kombiniert. Hinzu kommt eine originale Fugenkompositionen Mozarts, die sowohl in der ursprünglichen Fassung für 2 Cembali (hier farblich delikat, aber auch etwas rumpelig mit Fortepiano eingespielt) sowie in der von Mozart selbst angefertigten Streicherfassung K546 zu hören ist. Die anonym überlieferten Einleitungen klingen überraschend galant, während Mozart das Archaische der Fugenform beinahe schon im Sinne einer vorweggenommenen Schauerromantik deutet. Die naheliegende Herausforderung anzunehmen, alle Fugen der Einspielung konsequent aus Sicht des galanten Zeitalters und des aufkommenden Sturm und Drang zu interpretieren, nehmen die Musiker nicht konsequent an. Stattdessen setzen sie auf Buntheit und spielen einige Stücke in Bläserbesetzungen, die zwar auf ihre Weise das Archaische der Fugen betonen, aber gerade im Bezug zu den modisch-zeitgebundenen Einleitungen aus dem Rahmen fallen. So anregend das Projekt ist: Um sich über beide Ohren in das Ergebnis zu verlieben, fehlt ihm der rote Faden.
Carsten Niemann, 03.05.2014
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