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N° 1353
13. - 24.04.2024

nächste Aktualisierung
am 20.04.2024



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New Directions

Stefon Harris, Jason Moran, Greg Osby, Mark Shim

Blue Note/EMI 7243 5 22978 2 5
(60 Min., 5/1999) 1 CD

New Directions, was für ein Titel (übrigens schon an Teddy Charles sowie Jack DeJohnette vergeben), was für ein versteckter Anspruch für das Jahr 2000! Platten, die vor etwa vierzig Jahren mit ähnlich programmatischen Titeln als "The Shape Of Jazz To Come" oder "New Ideas" auftraten, brachten für damalige Verhältnisse wirklich neuartige Musik. Wieso denken wir jetzt an diese seligen Zeiten zurück? Weil drei Viertel der auf diesem Album vertretenen Stücke Cover-Versionen großer Blue-Note-Aufnahmen der sechziger Jahre sind.
Dabei hat sich das aus Greg Osby (as), Mark Shim (ts), Stefon Harris (vib), Jason Moran (dr), Tarus Mateen (b) und Nasheet Waits (dr) bestehende Sextett nicht etwa auf Originals von Blue-Noten-Avantgardisten wie Eric Dolphy oder Jackie McLean gestürzt, sondern auf so gute Hardbop- und Soul-Jazz-Schlachtrösser wie Lee Morgans "The Sidewinder" und Horace Silvers "Song For My Father". Diese Stücke grooven in den Originalfassungen vital, swingen unwiderstehlich. Sie stammen ja aus einer Zeit, als den modernen Jazzern (insbesondere bei Blue Note) noch der schwierige Spagat gelang, die Sprache der Intellektuellen und des Volkes (durch die Betonung der schwarzen Roots wie Blues und Gospel) auf einen Nenner zu bringen. In den Fassungen von "New Directions" wäre keines dieser Stücke jemals ein Hit geworden.
Durchaus intelligent und interessant, witzig und spritzig rückte man diesen Ikonen auf den Leib, hie eine neue Gegenstimme, da ein modernerer Groove, dazu noch freche Akkorde – und bloß keine Chorusse, die man so leicht mitsingen kann wie die damaligen. Das Motto scheint: Wir verbeugen uns anders als die Kollegen der musealen Young-Lions-Fraktion (die einfallsloser sind und mehr swingen). Dabei hat man mit dem Klischee-Bad das fröhlich tänzelnde Kind ausgeschüttet und fast die Roots mit herausgerissen.
Wer wissen will, was führende Post-Bopper von ihren Ahnen unterscheidet, hat im Vergleich der Versionen eine unbezahlbare Lehrstunde. Moran ist verglichen zu Silver abstrakt, Osby verglichen zu Adderley zerebral ... Was früher wie ein solider Herzschlag pochte, gemahnt an nervöses Herzflattern, wozu man tanzen konnte, dazu muss man heute stolpern. Versuchen Sie’s mal bei "Recorda Me", bei Joe Henderson eine Bossa, hier hiphoppig verholpert. Nicht dass sie es nicht könnten; es muss eine Kunst sein, so ein Stück nahezu swing-frei zu spielen. Souliger Jazz von einst als Dame ohne Unterleib von heute. Warum ich trotzdem nicht böse werde? Vielleicht, weil ich nach dem rein intellektuellen Zeitvertreib dieser CD an der ungebrochenen Lebenskraft, dem mitreißenden Schwung, der emotionalen Direktheit, dem natürlichen Ideenfluss der Vorlagen mehr Freude habe ...

Marcus A. Woelfle, 01.09.2007


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