ECM/Universal 4811572
(146 Min., 7/2014) 2 CDs
„Glücklicherweise wurde Schuberts Klaviermusik bis dato noch nicht von jenen Spezialisten entdeckt, die Nachbildungen von Graf-Fortepianos spielen.“ Noch 1992 ließ András Schiff keinen Zweifel aufkommen, dass er im Fall der Klavierkompositionen von Franz Schubert keinesfalls zu einer hölzern klingenden Tastenantiquität greifen würde. Schließlich, so Schiff damals weiter, „bedarf Schuberts Musik äußerst empfindsamer Tonqualität, ganz besonders in weicher und weichster Dynamik.“ Über zwanzig Jahre später hat sich Schiff nun doch an einen historischen Hammerflügel gesetzt, um gleich ein Doppelalbum mit berühmten Klavierstücken und den beiden Sonaten-Schwergewichten in G-Dur D 894 und B-Dur D 960 aufzunehmen. Auslöser für dieses Experiment war ein Instrument, das um 1820 von Franz Brodmann in Wien gebaut wurde und das Schiff 2010 von Jörg Ewald Dähler erworben hat (von dem Schweizer Musiker gibt es übrigens eine hörenswerte Schubert-Aufnahme aus den 1970er Jahren am besagten Brodmann-Flügel).
Dank der vier Pedale kann Schiff die von ihm gewünschte, reiche Palette an dynamischen und farblichen Nuancen realisieren. Außerdem besitzt das Instrument so viel Wärme für die lebensflüchtigen, entrückt schmerzhaften Momente, wie sie nicht nur in den vier Impromptus D 935, sondern auch im c-Moll-Allegretto D 915 durchschimmern. Dennoch unterscheidet sich das Schubert-Bild dieser Einspielung natürlich immens etwa von Schiffs Einspielung aller Klaviersonaten an einem modernen Bösendorfer-Flügel. Bei aller Sensibilität, mit der Schiff sich jetzt in diesen musikalischen Licht- und Schattenwelten bewegt, konturiert der Brodmann-Flügel mit seinem anti-kulinarischen, ´bodenständigen´ und gerade im Diskant verstörenden Klang immerhin das existenzielle Ringen dieser Musik radikal schonungslos. So faszinierend ungeschützt kann Schubert sich anhören.
Guido Fischer, 25.07.2015
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