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N° 1353
13. - 23.04.2024

nächste Aktualisierung
am 20.04.2024



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Johann Sebastian Bach

Johannes-Passion BWV 245

Werner Güra, Sunhae Im, Benno Schachtner, Sebastian Kohlhepp, Johannes Weisser, RIAS Kammerchor, Akademie für Alte Musik Berlin, René Jacobs

harmonia mundi HMC 902236.37
(171 Min., 7/2015) 2 SACDs + DVD

Ausgerechnet jene Fassung seiner „Johannes-Passion“, die heute landauf, landab zu Ostern aufgeführt wird, hat Johann Sebastian Bach selbst nie gehört. Denn die eingangs stark überarbeitete Partitur-Reinschrift, die er nach über zehnjähriger Auseinandersetzung mit der Musik anlegte, führte er selbst nicht mehr auf. Noch interessanter sind aber jene Änderungen, die Bach an seiner ersten Passion für Leipzig im Verlauf dieser zehn Jahre unternahm. Einige zeugen von einer sich ändernden Sichtweise auf die Figur Christi, die dem Christusbild des Johannesevangeliums geradezu entgegengesetzt ist. Die heißesten Nadeln verwendet in diesem Sinne die Fassung von 1724, die den prachtvollen Eingangschor „Herr, unser Herrscher“ (der im johanneischen Sinne Christus schon zu Lebzeiten als Himmelskönig feiert) für die düstere, diesseitige Choralbearbeitung „O Mensch, bewein‘ Dein Sünde groß“ tauscht. Auch die textlich von der schaulustig-blutrünstigen Brockes-Passion beeinflussten Arien „Himmel reiße, Welt erbebe“ (Bass) und „Zerschmettert mich, ihr Felsen und ihr Hügel“ (Tenor) dieser Fassung treiben das Geschehen mit zusätzlichem Dampfdruck voran. Welche „Johannes-Passion“ also sollte man aufnehmen?
Am besten alle, mag sich René Jacobs gedacht haben, und ergänzte die üblicherweise fehlenden Nummern am Ende – als Fassungsbausatz: endlich! Und wie schon bei der „Matthäus-Passion“, wo er für seine interpretatorische Überzeugung – ohne Rücksicht auf die heftige Schelte durch Klanggourmets – den zweiten Chor samt Solisten im halligen Off entfernt positionierte, ist auch diesmal wieder die Klangstaffelung des Chores das Kernstück der Aufnahme. Doch, es sei gleich entwarnt, nicht etwa als räumliches Experiment, sondern in der klugen und klangsinnlichen Staffelung der Besetzung. Die Solisten müssen, „als Demutsprobe, allein zu Ehren Gottes“ und in Durchbrechung traditionellen Rollenverteilungsdenkens auch die Chorpartien mitsingen. Sie sind die Keimzelle, die (nicht durchweg) mit 16 wendigen Ripienisten des RIAS Kammerchors verstärkt und im Maximalfall um den Rest des Chores und die Knabensoprane des Staats- und Domchores Berlin machtvoll ergänzt werden kann. Damit erteilt Jacobs beiden Extremen, dem romantischen Massenchor wie den Anhängern der solistischen Besetzung, eine Absage und findet den ebenso klanglich überzeugenden wie dramatisch-agilen Mittelweg. Sängerisch steht Werner Güra als Idealtypus eines Evangelisten im Zentrum einer fabelhaften Sängerbesetzung, die diesmal keine Ausreißer kennt. Einzig Johannes Weisser mag man nachsehen, dass seine Stimme für schnelle Verzierungen einfach zu starr ist. Zum Genuss wird die Aufnahme aber vollends erst durch die detailverliebte, eingespielte Continuobesetzung der Akademie für Alte Musik Berlin, die dem Werk ihren dramatischen Biss, aber auch ihren ganzen Klangfarbenglanz zur Verfügung stellt.

Carsten Hinrichs, 05.03.2016


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