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N° 1353
13. - 21.04.2024

nächste Aktualisierung
am 20.04.2024



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Le piccole cose (European Jazz Legends Vol. 9)

Günter Baby Sommer

Intuition/in-akustik 05711691
(62 Min., 10/2016)

Den Spitznamen „Baby“ bekam er verpasst, als ihn der genervte Bigband-Leader Klaus Lenz einmal anschnauzte, ob er alles neu erfinden wolle wie Louis Armstrongs Drummer Warren „Baby“ Dodds. Und ja, das wollte Günter Baby Sommer, damals Anfang 20, und er hat sich diesen Forscherdrang bis in die Gegenwart bewahrt.
In seiner ganzen volltönend auf den Schlagzeugfellen resonierenden Pracht, Dringlichkeit und Verschmitztheit ist das auf dem Mitschnitt eines Konzertes zu hören, das der 73-Jährige im Oktober 2016 in der Reihe „European Jazz Legends“ im Theater Gütersloh gab. In Westfalen präsentierte sich Sommer mit der neu formierten Ausgabe einer Gruppe, die zu tiefsten DDR-Zeiten Weltoffenheit und Freiheitsliebe symbolisierte: Das 1979 in der Jazzwerkstatt Peitz aus der Taufe gehobene Quartetto Triofonale mit dem Trompeter Manfred Schoof, dem Italiener Gianluigi Trovesi an Altsaxofon und Klarinette sowie dessen Landsmann Antonio Borghini, der den ursprünglichen US-Bassisten Barre Philips abgelöst hat. Dieses Quartett versprüht eine ungemein große Spielfreude, ganz gleich, ob der stilistische Aggregatzustand fest und voller strenger Bass-Ostinati und melancholischer Coltrane-Spiritualität, swingend flüssig oder frei improvisierend gasförmig ist.
Schoofs mal elegante, mal tonal verschlierten Trompetenrufe werden von Trovesis Liebesgurren auf Sax und Klarinette beantwortet; in den Themen-Unisoni gibt man sich mal verschworen wie eine Gang Jugendlicher, die einen obszönen Bebop-Schlachtruf herausschreit („Like Don“), mal wie zwei Betrunkene, die sich mit leichtem Silberblick gegenseitig vom Umfallen zu hindern versuchen („No parletto“).
Pulsierendes Herz dieser Truppe ist Sommer, der Marschrhythmen zum Tänzeln bringen kann wie kein Zweiter, mit seinen gestimmten Fellen das Schlagzeug zur melodischen Improvisation verführt – oder gleich selbst singt, scattend wie ein Beatboxer oder jammernd wie ein Shaolin-Mönch mit argen Kopfschmerzen. Und wenn der Mitschnitt mit dem von Sommer geschriebenen „Hymnus“, einer gospeligen Verbeugung vor den Kirchen in Amerikas Süden, endet, weiß man: Der Mann wollte nicht alles respektlos neu erfinden, wie es ihm sein erster Bandleader 1965 unterstellte, sondern sich mit aller Kraft seines Dresdner Querkopfs und Herzens aneignen.

Josef Engels, 04.02.2017


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