Ricercar/Note 1 RIC378
(57 Min., 3/2016)
Ein Jugendwerk Alessandro Scarlattis ist diese Johannes-Passion, komponiert von dem etwa 25-Jährigen nach neuerem Forschungsstand vermutlich in Neapel. Der Bibeltext nach Johannes ist in lateinischer Sprache vertont, und die Musik ist interessanterweise mehr oder weniger durchkomponiert — d. h. es wechseln solistische Abschnitte (Evangelist, Jesus, Pilatus, einige kleinere Rollen) mit chorischen Abschnitten (die „Turbae“ mit verschiedenen Gruppen), ohne dass es tatsächlich in sich geschlossene Sätze gäbe. Stattdessen singen die Soli in einem mal nur continuo-, mal orchesterbegleiteten stile recitativo, die Turbae fallen jeweils attacca in den blockhaft-deklamationsorientierten Satz ein. Mit dem Textbuch in der Hand lässt sich auf Basis dieser differenziert expressiven Vertonung die Passion sehr gebündelt verfolgen und mitvollziehen.
Die abwechslungsreiche Continuobesetzung dieser gelungenen Einspielung trägt zur unmittelbaren Wirkung der Musik ebenso bei wie die gute Auswahl der Soli: Zwar fragt man sich, warum eine Mezzosopranistin (statt ein Countertenor) den Evangelisten singt, aber mit Giuseppina Bridelli wurde immerhin eine Interpretin gefunden, die den Text in den Vordergrund zu stellen vermag und auf das typische Mezzo-Brustregister-Pathos weitestgehend verzichtet. Salvo Vitale verkörpert mit seiner gut zeichnenden, warmen Bassstimme den Christuspart auf ideale Weise. Leonardo García Alarcón hatte die Idee, die Passion durch mehrstimmige Karwochen-Responsorien (ebenfalls aus der Feder Scarlattis) zu ergänzen. Das ist liturgisch nicht unbedingt schlüssig, gehören die Responsorien doch in die Matutinen des Stundengebets, aber es stört freilich auch nicht. Die Intention, dem Chor mehr Arbeit zu geben, ist erkennbar, und die auf diese Weise hinzugewonnene Musik ist als solche selbstverständlich ein Gewinn.
Michael Wersin, 01.04.2017
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