home

N° 1356
04. - 10.05.2024

nächste Aktualisierung
am 11.05.2024



Startseite · Oper & Konzert · Pasticcio

Jessye Norman † © StilfehlerWikimedia/CC BY-SA 3.0

Pasticcio

Powerfrau

Im Zuge der zahllosen Würdigungen und Nachrufe, die anlässlich des Todes von Jessye Norman veröffentlicht wurden, strahlte der Spartensender arte noch einmal einen Konzertmitschnitt von 1990 aus. Es war ein Abend in der New Yorker Carnegie Hall, wo Norman zusammen mit Kathleen Battle Gospels und Spirituals zum Besten gab. Und auch wenn das Programm da noch nicht unbedingt zu ihren Favorites gehörte, war es ein typischer Norman-Auftritt, der gerade im unmittelbaren Vergleich mit der Kollegin Battle noch einmal ihrer Ausnahmeerscheinung unterstrich. In ihrem extravaganten Bühnenkostüm, das sie in eine Art ägyptische Kaiserin verwandelte, besaß Norman eine raumfüllende Präsenz, gepaart mit einem gewissen divenhaften Appeal. Und während Kathleen Battle als eher die „Brave“ mit ihrer unglaublich strahlenden Sopranstimme begeisterte, fesselte die Sopranistin Norman erneut mit einem einzigartig dunkel-opulenten Melos, bei dem man sich erneut fragte, ob sie insgeheim nicht doch eine Mezzosopranistin gewesen ist. Jener Abend in der Carnegie Hall jedenfalls war mal wieder das beste Beispiel dafür, dass diese Sängerin nicht nur von ihrer Ausstrahlung, sondern auch von ihrer klang- und körperreichen Stimme her sofort zum Epizentrum eines Konzerts, einer Oper oder gar eines spektakulären Open-Air-Events werden konnte. Als nämlich Frankreich 1989 den 200. Jahrestag der Revolution mit allem Pomp feierte, war es die hier so heißgeliebte Amerikanerin, die – in die Tricolore gehüllt – inbrünstig die Marseillaise in den Pariser Nachthimmel schmetterte. Für Jessye Norman einfach ein Auftritt nach Maß.
Solche Engagements waren für die aus einem musikalischen Haushalt stammende und so gar nicht öffentlichkeitsscheue Sängerin jedoch eher die Ausnahme. Stattdessen erarbeitete sie sich nach ihrem Gewinn des ARD-Musikwettbewerbs und dem Durchbruch an der Deutschen Oper Berlin als Elisabeth in Richard Wagners „Tannhäuser“ ein Repertoire von beachtlicher Bandbreite. Von Purcells „Dido“ über Mozarts „Le Nozze di Figaro“ bis hin zur „Kundry“ und Berlioz´ „Cassandra“ reichte das Spektrum. Außerdem setzte sie sich für den noch immer recht unbekannten Opernkomponisten Haydn ein. Und als Sängerin der klassischen Moderne, etwa in Schönbergs „Gurreliedern“ und Strawinskis „Oedipus Rex“ war sie genauso ein Ereignis wie als Liedinterpretin. Wobei gerade das Schaffen von Alban Berg und Richard Strauss wie geschaffen für ihr Timbre waren. Zum Glück ist all das umfangreich auf Tonträger dokumentiert. Weshalb ihre Aufnahmen noch weit über ihren jetzigen Tod Gültigkeit besitzen. Am 30. September ist Jessye Norman im Alter von 74 Jahren in New York verstorben.

Guido Fischer



Kommentare

Kommentar posten

Für diesen Artikel gibt es noch keine Kommentare.


Das könnte Sie auch interessieren

Festival

Opernfestspiele Heidenheim

Oper unterm Himmelszelt

„Da Capo“ lautet das diesjährige Motto der Opernfestspiele, die in einer atemberaubenden […]
zum Artikel

Gefragt

Rolando Villazón

Wolfgang Anonymus Mozart

Der mexikanische Tenor sprach mit uns über sein neues Album, das Licht ins Ariendunkel bringt, […]
zum Artikel

Kronjuwelen

Magazin

Schätze aus dem Plattenschrank

Vom amerikanischen Komponisten David Lang stammt ein Satz, den könnte sein Kollege John Adams […]
zum Artikel


CD zum Sonntag

Ihre Wochenempfehlung der RONDO-Redaktion

Externer Inhalt - Spotify

An dieser Stelle finden Sie Inhalte eines Drittanbieters, die Sie mit einem Klick anzeigen lassen können.

Mit dem Laden des Audioplayers können personenbezogene Daten an den Dienst Spotify übermittelt werden. Mehr Informationen finden Sie in unseren Datenschutzbestimmungen.

Die „Études-Tableaux“ op. 39 von Rachmaninow sind bekannt für ihre düstere Atmosphäre und gelten als eine der modernsten Kompositionen des Komponisten. Entstanden sind sie im Jahr 1917 kurz vor seiner Flucht in die USA, aufgrund ihrer virtuosen Schwierigkeiten stellen sie eine Herausforderung für jeden Pianisten dar. Nikolai Obuchows „Six Tableaux psychologiques“ von 1915 wiederum zeigen Einflüsse von Alexander Skrjabin und präsentieren sich als komplexe und vielschichtige […] mehr


Abo

Top