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(c) Giulia Papetti
Natürlich muss jetzt wieder das berüchtigte Strawinski-Zitat fallen. Der befand ja abfällig, Antonio Vivaldi habe das gleiche Violinkonzert 400 Mal komponiert. So viele Konzerte sind es dann doch nicht. Und wenn etwas dieses böse Bonmot Lügen straft, dann die Tatsache, dass die zunächst vor über 20 Jahren begonnene, inzwischen bei neuem Label weitergeführte Vivaldi-Edition nicht nur eines der aufwändigsten, sondern auch der schönsten und erfolgreichsten Editionsunternehmen der Aufnahmehistorie wurde. Inzwischen ist man bei Album 62 angelangt. Und die präsentiert – einmal mehr – Violinkonzerte. Neben den kompletten Sammlungen ist das schon die siebte Folge mit Einzelwerken. Hier erlebt man den alternden Komponisten so lebendig wie nie zuvor. Seit 1725 hat sich der Rote Priester den Anforderungen des galanten Stils angepasst und dabei nichts von seiner Vitalität wie Vorstellungskraft verloren. Die hier versammelten Werke sind die einzigen erhaltenen Konzerte jener fünfzehn, die Vivaldi in seinem letzten Jahr im Wiener Exil für eine erbärmliche Summe an Graf Vinciguerra Tommaso Collalto verkaufte, einen venezianischen Adligen, der im Schloss Pirnitz in Mähren residierte (darauf bezieht sich der Titel der „Concerti per il Castello“). Mit einem Solopart von extremer Verfeinerung nutzen diese Werke die Bandbreite des Ausdrucks wie der Phrasierung der Violine voll aus und offerieren zugleich eine Fülle von Ornamenten sowie ein verschwenderisches Gespür für lyrisch kantable Virtuosität. Wieder am Start ist hier das Ensemble, welches inzwischen die Hauptlast der Edition trägt, die man freilich als pures Vergnügen empfindet: die im Städtchen Bagnacavallo nahe Ravenna residierende Accademia Bizantina samt ihres explosiven Leiters Ottavio Dantone. Den Solopart spielt mit großer Finesse, leichtgängiger Technik und variablem dynamischem Gespür deren Konzertmeister Alessandro Tampieri. Der begann seine Ausbildung in seiner Heimatstadt Ravenna. Schon mit 15 Jahren war er Mitglied der Accademia Bizantina, wo er Violine wie Viola spielt. Als Bratschist tritt er solistisch wie kammermusikalisch auf und spielt in Sinfonie- und Opernorchestern wie dem Orchester des Teatro alla Scala. Er interessiert sich auch für Neue Musik, und wirkte bei Ersteinspielungen und Uraufführungen unter anderem von Luciano Berio und Azio Corghi mit. Aus seiner Vorliebe für die Improvisation heraus, die er auch bei der vorliegenden Einspielung einsetzt, widmete er sich zunehmend der Alten Musik. Dabei arbeitet er vorwiegend als Geiger mit Il Giardino Armonico, Academia Montis Regalis und L’Arpeggiata zusammen und ist regelmäßig auf den wichtigsten Podien und Festivals zu erleben. Seit 2011 ist Tampieri Konzertmeister der Accademia Bizantina und lehrt am Konservatorium von Monopoli. Von seiner jüngsten Aufnahme kann Alessandro Tampieri nur schwärmen: „Ich zeige das Instrument auch für Vivaldi einmal mehr in neuem Licht, mit einer ästhetischen Version, an die ich stark glaube. Das hat mit Momenten von großer Energie wie auch mit der freudvollen Konstruktion dieser Noten zu tun.“
Matthias Siehler, 29.02.2020, RONDO Ausgabe 1 / 2020
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