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N° 1355
27.04. - 03.05.2024

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am 04.05.2024



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(c) Cremona Musica

Cremona Musica 2023

Fiedeln, Quaken, Dröhnen, Zirpen

Zu dieser Messe in der berühmten Stadt des Geigenbaus reisten 360 Musikinstrumenten-Aussteller aus 35 Ländern an, es gab 180 Konzerte und Showcases, in drei Tagen.

Alte Geigen aus Cremona sind vor allem für private Sammler und Stiftungen interessant. Wie auf dem Kunstmarkt geht es auch beim Handel mit historischen Streichinstrumenten um die Rendite, die, je nachdem, bis zu fünfzehn Prozent betragen kann. Auf den Ton kommt es weniger an. Trotzdem liebäugeln auch heutige Geigenbaumeister, nicht nur aus Cremona, inzwischen mit diesem Markt.
Der Publikums-Hit bei der „Cremona Musica – International Exhibitions & Festival“, die heuer zum 29. Mal stattfand, ist eine nagelneue Geige. Heißt „Osmium Violin 1.0“, wiegt so viel wie eine Bratsche und funkelt wie eine Diva: Korpus und Schnecke, sogar das Griffbrett sind mit Intarsien aus Gold und Osmium verziert nebst Brillanten, Rubinen, Saphiren. Der vom Cremonenser Geigenbauer Edgar Russ aufgerufene Preis von 3,5 Millionen Euro ist zwar nur ein Bruchteil dessen, was eine historische Stradivari erzielt. Trotzdem: Nichts zum Anfassen und Ausprobieren, wie es ansonsten massenhaft junge Leute an anderen Ständen in Halle 2 tun.
Längst gilt „Cremona Musica“ als weltweit wichtigste Musikinstrumenten-Messe. Sie wächst Jahr für Jahr, nicht zuletzt wegen dem Mythos des Standorts. Ein Großteil derer, die hier ausstellen, hat heute immer noch eine Werkstatt vor Ort, in den Gassen der Altstadt. Laien, Profis und Gurus kann man hier antreffen, Scharlatane und Meister, Schätze entdecken und Tand. Außerdem alles, was dazu gehört: Holz, Harz, Werkzeug, Pinsel, Lacke, Pigmente.
Wo sonst kann man sich Saiten der Wiener Firma Thomastik auf die mitgebrachte eigene Geige aufziehen lassen oder probehalber auf Resonanzhölzer aus Kanada oder Transsylvanien klopfen? Am Stand von „Alpentonholz“ aus Mittenwald gibt es Reste aus der „Sale“-Kiste für nur 8 Euro das Stück. So etwas sei super zum Basteln für Geigenbaustudenten, erklärt der Komponist und Cellist Nicola Segatta. Er hatte einst sein Geigenbauer-Examen hier in Cremona absolviert, an der Internationalen Antonio-Stradivari-Akademie. Heute konzertiert Segatta auf einem selbstgebauten Instrument. Zur Messe kehrt er nur zurück, um zu netzwerken: Sie sei, sagt er, wie ein internationales Klassentreffen der Branche.
Überall wird gefiedelt in der Riesenhalle, eine atemraubende Kakofonie aus Violinkonzertfetzen füllt die Luft. Nebenan in Halle 1 quakt, dröhnt und zirpt es, da mischen sich Bläser- mit Mandolinen, Schlagzeug mit Panflöte, E-Gitarre mit Akkordeon. Es gibt sechs Extra-Säle für Masterclasses, Roundtables und Konzerte, hier finden sich sogar etliche Klavierfirmen: Steinway, Yamaha, Bösendorfer, Fazioli.
Was damit zu tun hat, dass ausgerechnet ein Pianist künstlerisch für die Messe verantwortlich zeichnet. Roberto Prosseda, bekannt für seine preisgekrönte Mendelssohn-Bartholdy-Edition bei Decca, hat sich auch einen Namen gemacht als Musikologe und Intendant. Diesmal setzte er sich am letzten Tag spontan an den Flügel, um den Preisträger des Cremona Musica Award zu begleiten: Steven Isserlis. Der war auf Zwischenlandung, angereist zwar ohne sein Cello. Lieh sich aber, auf dieser Messe kurzer Wege, einfach eines aus, um fürs Publikum „Das Lied der Vögel“ zu spielen, von Pablo Casals.

Weitere Infos:

www.cremonamusica.com

Eleonore Büning, 14.10.2023, RONDO Ausgabe 5 / 2023



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