Startseite · Interview · Gefragt
Die Verachtung singbarer Melodien ist auch ein Sinnbild postindustrieller Entwurzelung“, sagt Echopreisträger Dieter Ilg. Sozialisiert in einer Familie aktiv musizierender Klassikliebhaber, fühlt er sich schon früh von der Spätromantik angezogen. Den Fünfzehnjährigen begeistern Wagners Meistersinger, und Analysieren macht ihm ungeheuren Spaß. So war es nur eine Frage der Zeit, dass er als gestandener Jazzmusiker zunächst Verdi und jetzt Wagner als Inspirationsquelle für sich entdeckte: „So vieles in dieser Musik spricht mich in Harmonik und Melodik stark an. Mal ehrlich, es gibt im Jazz doch recht wenig an Harmonik, was es in der Klassik noch nicht gegeben hätte. Ich bin ja eher wertkonservativ als strukturkonservativ orientiert, und meine Hinwendung zur Spätromantik war also logisch und zwingend.“ Die Entscheidung für Wagner war für Ilg sogleich eine für Parsifal mit seiner überlappenden, quasi übergangslosen unendlichen Struktur und der Fokussierung auf verminderte und halb verminderte Akkorde. „Erstaunlich viele Linien klingen total jazztypisch und stammen doch eins zu eins aus der Oper. Durch die Veränderung des Rahmens, die Verschiebung einer Betonung ergibt sich ein neues Bild, und das ist für mich wahnsinnig faszinierend.“ – Zumal er das Ziel erreicht sehe, im Trio mit dem Pianisten Rainer Böhm und dem Schlagzeuger Patrice Héral Geschriebenes und Improvisiertes ununterscheidbar zu verbinden.
Einwänden mangelnder Werktreue oder gar der Verletzung der political jazz correctness begegnet Ilg vehement, es gehe ihm nicht darum, die Gedankengebäude Wagners abzubilden. „Ich nehme seine Musik als Inspirationsquelle, als Interpretationsmöglichkeit mit allem Respekt, den ich vor dieser Musik habe – und gerne möge sich dabei der Parsifal anders zeigen. Natürlich führt die Beschäftigung mit Wagners Musik auch zu dem, was den Menschen Wagner umtrieb, doch das ist Hintergrund, nicht Musik. Mit keinem Titel wollte ich eine bestimmte Botschaft der wagnerschen Herangehensweise präsentieren. Dafür ist mir Musik zu heilig!“
Thomas Fitterling, 30.11.1999, RONDO Ausgabe 1 / 2013
Luxus in der DNA
2021: Der Phono-Markt wird von drei großen Klassik-Labels beherrscht … der gesamte Markt? Nein! […]
zum Artikel
Sergiu Celibidache
Noch 1969 fiel sein Bruckner-Bild recht konventionell aus, als er mit dem Schwedischen […]
zum Artikel